Startseite Archiv Nachricht vom 28. März 2020

Ein Anruf zu Corona bei...Oberkirchenrat Thomas Och, ehrenamtlicher Helfer im Corona-Testzentrum

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Thomas Och (56) ist Oberkirchenrat und Leiter des Büros der Landessynode. Er hilft seit 38 Jahren ehrenamtlich beim Deutschen Roten Kreuz (DRK). Eine derartige Ausnahmesituation wie aktuell durch das Coronavirus hat auch er noch nicht erlebt.

Herr Och, Sie gehören zu denjenigen, die Corona-Tests möglich machen. Wie kommt das?
Ich bin seit vielen Jahren beim Roten Kreuz aktiv. Und wir sind durch die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen beauftragt worden, in der Region Hannover Corona-Tests vorzunehmen. Zunächst sind wir mit Krankenwagen durch die Region gefahren und haben von immobilen Patienten Proben genommen. Das passiert auch immer noch täglich. Schon bald hat diese Kapazität aber nicht mehr ausgereicht und wir haben in Lehrte und in Hannover in der Zeißstraße Drive-In-Testzentren aufgebaut. Inzwischen sind beide wieder geschlossen und wir testen in einem großen Zentrum auf dem Messegelände in Hannover. Es gibt dort zehn Fahrspuren. An deren Ende, in der Messehalle, stehen Ärzte und Helfer in Vollschutz-Anzügen. Die Patienten dürfen aus Sicherheitsgründen ihr Fahrzeug nicht verlassen: Sie öffnen lediglich das Seitenfenster, Arzt und Helfer nehmen einen tiefen Rachenabstrich, dann verlässt das Fahrzeug den Testbereich wieder. Auf diese Weise nehmen wir inzwischen täglich von 17 bis 22 Uhr etwa 500 Proben. Auf die Ergebnisse müssen die Patienten im Moment etwa drei Tage warten, die Labore sind vollkommen überlastet.

Warum genau dieses Zeitfenster?
Die Ärzte arbeiten tagsüber in ihren Praxen und stehen erst abends zur Verfügung. Und auch wir als Ehrenamtliche sind meist erst abends verfügbar. Ich bin Zugführer zweier Einsatzeinheiten aus Garbsen und Neustadt. Wir treffen uns um 15.30 Uhr, fahren gemeinsam zum Messegelände, bereiten alles vor und sind dann um 17 Uhr einsatzbereit. Im Schichtbetrieb sind dort zwischen 50 und 60 Ehrenamtliche tätig, unsere Truppe stellt davon zehn bis zwölf Personen. Dazu fahren mehrere DRK-Kollegen aus Neustadt weiterhin durch die Region und nehmen die mobilen Abstriche.

Was genau ist Ihre Aufgabe als ehrenamtliche Helfer?
Wir stehen draußen, an der frischen Luft - mit Schutzbrille, Maske und Kittel. Aber nicht mit Vollschutzanzug wie die Kolleg*innen, die in der Messehalle die Abstriche vornehmen. Das ganze Testverfahren basiert auf einer Zugangskontrolle - denn nur, wer über den Hausarzt angemeldet wurde, kann derzeit auch getestet werden. Man kann also nicht einfach hinfahren und sagen: Ich lasse mich mal überprüfen. Die Patienten bekommen eine SMS, wann genau sie kommen sollen, damit nicht alle um 17 Uhr in der Schlange stehen. Außerdem bekommen sie eine Identnummer zugeschickt. Wir prüfen dann, ob sie im System hinterlegt sind und lösen die Beprobung dann aus.

Das läuft sicher nicht immer konfliktfrei ab.
Wenn Leute auf eigene Faust vorbeikommen, müssen wir sie zurückweisen. Viele sind verständnisvoll, manche aber auch uneinsichtig. Leider führt das dann manchmal zu verbalen Auseinandersetzungen, deshalb sind auch Polizisten vor Ort, die uns im Zweifel helfen. Die Leute sind verängstigt, man muss sie beruhigen und alles erklären. Aber gleichzeitig muss man schauen, dass möglichst schnell möglichst viele Autos durchgeschleust werden.

Dieses dramatische Geschehen, die Ängste und Sorgen - das geht sicher nicht spurlos an Ihrem Team vorbei?
Wir machen täglich Besprechungen vor und nach dem Dienst. Und ja - es sind manche Ängste auch in unserem Kreis vorhanden. Darüber muss man dann sprechen. Für uns Helfer gibt es eine Personen-Nachsorge, eine Art Seelsorge. Die Leute kommen bislang aber überwiegend gut mit der Situation zurecht. Für chemisch-biologisch-radiologisch-nukleare Gefahrenlagen sind wir ausgebildet und auch mit immer weniger werdenden Schutzmaterial ausgestattet. Aber es dann wirklich in dieser Größenordnung zu erleben, das ist natürlich völlig ungewohnt. 

Gibt es aus Ihrer Sicht eine Verbindung zwischen Ihrer Arbeit in der Landeskirche und dem Engagement in der Corona-Pandemie?
Das gehört schon zusammen. Unsere Truppen beim Roten Kreuz können mit einem guten Wort oder einem kleinen Gebet etwas anfangen. Das eine geht nicht ohne das andere. Und meinem Arbeitgeber bin ich natürlich sehr dankbar, dass dieses Engagement auch immer wieder ermöglicht wird.

Und wie lässt sich das alles mit Ihrem hauptsächlichen Tätigkeit als Oberkirchenrat und Leiter des Synodalbüros der Landeskirche vereinbaren?
Es ist anstrengend, aber es geht. Ich selbst arbeite mindestens viermal die Woche mit. Meine Tätigkeit für die Landeskirche mache ich im Moment im Home-Office, aber weitgehend zu den normalen Bürozeiten. Danach fahre ich zum Corona-Testzentrum - kurz vor Mitternacht bin ich dann wieder zu Hause. Allein in Niedersachsen gibt es inzwischen knapp 40 solcher Testzentren. Deren Betrieb hängt maßgeblich an Ehrenamtlichen - würde es die nicht geben, wäre das alles nicht möglich. Man wird ja bisweilen belächelt, wenn man sich ehrenamtlich engagiert. Aber in dieser Krise merkt man doch sehr deutlich, wie wichtig das Ehrenamt in Deutschland tatsächlich ist.

Alexander Nortrup

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