Startseite Archiv Nachricht vom 19. Februar 2020

Konvent der Diakon*innen im Sprengel Hannover

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Hannover. „Wir müssen uns grundsätzlich von der Idee des unbegrenzten Wachstums verabschieden“, forderte Nachhaltigkeitsökonom Marius Rommel jetzt beim Konvent der Diakoninnen und Diakone des Sprengels Hannover. Die Klimakrise, die eher eine „Menschheitskrise“ sei, könne nur durch eine neue, radikal nachhaltige Lebens- und Wirtschaftsweise gestoppt werden. Der wissenschaftliche Mitarbeiter der Universität Siegen und Mitbegründer des ZOE-Instituts für zukunftsfähige Ökonomien hielt auf Einladung der Regionalbischöfin Petra Bahr den Hauptvortrag bei dem jährlichen Treffen der Diakoninnen und Diakone des Sprengels Hannover.

Der nicht nachhaltige Lebensstil sei zur Normalität in unserer Gesellschaft geworden, sagte Rommel und forderte dazu auf, „mentale Autobahnen“ zu verlassen. Es gebe zwar unter Wissenschaftlern und auch in der Bevölkerung einen breiten Konsens über das Vorhandensein der Umweltkrise, umstritten sei jedoch, wie sie gelöst werden könne. Für Rommel ist „die globalisierte Wachstumswirtschaft nicht zukunftsfähig“. Statt des ständigen, unbegrenzten Wachstums setzt er auf eine „Postwachstumsökonomie“. Diese orientiere sich nicht an einem „Von allem immer mehr“, sondern daran, dass es für alle genug gibt.

Das erfordere jedoch eine zuweilen auch schmerzhafte Veränderung des persönlichen Lebensstandards, mahnte der Wissenschaftler und stellte ein „Reduktionsprogramm“ für „echte Nachhaltigkeit“ vor. Beispielsweise ein „kreatives Weglassen“ unter dem Stichwort „Suffizienz“, bis das „Niveau des Genug“ erreicht ist. Leitfragen seien dabei, wie viel Wohnraum jeder Einzelne wirklich braucht, wie viel Fleisch oder wie viel Fernreisen. Weiter „Subsistenz“ im Sinne einer modernen Selbstversorgung: „Sharing Economy“ bedeute, Produkte zu teilen, nicht jeder müsse persönlich eine hochwertige Bohrmaschine besitzen, sagte Rommel. Regionalversorgung mit Lebensmitteln und nachhaltig produzierende Industrien gehörten ebenso zu einer zukunftsfähigen Ökonomie wie eine Begrenzung von Unternehmensgrößen und -macht, die Regulierung der Finanzmärkte, Modernisierung des Bildungssystems oder Besteuerung von Ressourcenentnahmen.

„Der notwendige gesellschaftliche Wandel wird von der Zivilgesellschaft und nicht von der Politik ausgehen“, ist Rommel überzeugt. Dabei sieht er eine Vorreiterrolle von Kirche und Diakonie, die sich seit langem für eine nachhaltige Lebensweise einsetzten, oft wenig öffentlich bemerkt. „Doch jetzt ist die Jugend bereit dazu“, sagte Rommel. „Die Kirche kann sich durch dieses Thema neu erfinden und die Jugend mitreißen“. „Holt euch den Klimastreit wieder in die Kirche“ ermutigte er sein Publikum.

Konkrete Ideen zur Umsetzung eines nachhaltigen Lebensstils lieferten verschiedene Workshops wie zum Beispiel „Verpackungsfreies Einkaufen“, „Ökologischer Fußabdruck“, „Foodsharing“, „Klimafreundliche Mobilität“ oder „Repair-Cafés“. Ein Vertreter des hannoverschen Loseladens erläuterte das Konzept des verpackungsfreien Einkaufs. Konsumenten können dort rund 400 Produkte in mitgebrachte Behälter füllen, auch Milch, Kokosöl oder Shampoo ließen sich in wiederverwendbaren Verpackungen transportieren, sagte Inhaber Michael Albert. Die seit 2016 in Hannover existierende ehrenamtliche Foodsharing-Bewegung verteilt überproduzierte Lebensmittel aus Supermärkten oder Betrieben, holt Lebensmittelspenden aus Privathaushalten ab und leitet sie an Bedürftige weiter. Ziel sei die Verschwendung von Lebensmitteln zu stoppen, sagte Initiativen-Vertreterin Jenny Raczek. Rund 600 Ehrenamtliche hätten in Hannover bisher etwa 100 000 Kilogramm Lebensmittel „gerettet“. Andere Workshop-Teilnehmer konnten ihren persönlichen ökologischen Fußabdruck an einem Stand des Kirchlichen Entwicklungsdienstes ermitteln, sich über die Möglichkeiten klimafreundlicher Mobilität oder die Gründung von Nachbarschaftsinitiativen zum Klimaschutz informieren.

Regionalbischöfin Petra Bahr würdigte den Vortrag Rommels als einen konstruktiven Beitrag, der weniger das Szenario des unvermeidlichen Untergangs der Welt als die Möglichkeiten des eigenen Beitrags zur Rettung der gemeinsamen Erde betont habe. Alltagstaugliche Impulse für einen nachhaltigen Lebensstil, Austausch, Gebet und Gemeinschaft hätten das Treffen der Diakoninnen und Diakone ausgezeichnet.

Öffentlichkeitsarbeit im Sprengel Hannover