Startseite Archiv Nachricht vom 10. Juli 2019

Migrationsforscher fordert neue europäische Mission zur Seenotrettung

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Osnabrück. Der Osnabrücker Migrationsforscher Jochen Oltmer hält die sogenannte "Koalition der Willigen" für die aktuell einzig mögliche Perspektive, die im Mittelmeer geretteten Flüchtlinge in Europa zu verteilen. Zunächst werde sich wohl nur ein relativ kleiner Kreis von EU-Staaten zusammenfinden, die zur Aufnahme bereit seien, sagte Oltmer in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Diese sollten auch eine neue Mission zur Seenotrettung im Mittelmeer starten. Nach und nach könnten weitere Akteure dazukommen. Die "Koalition der Willigen" hatte jüngst unter anderem Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) gefordert.

Den Klagen von Rettungsorganisationen oder Juristen gegen die italienische oder die EU-Flüchtlingspolitik räumt Oltmer hingegen wenig Wirkungsmöglichkeiten ein. Solche Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte oder dem Strafgerichtshof in den Haag dauerten in der Regel sehr lange. Sie endeten zudem häufig ohne klare rechtliche Vorgaben für die angeklagten Staaten. "Es geht dabei wohl mehr darum, die öffentliche Diskussion am Leben zu halten."

Angesichts der dramatischen Situation sei es nicht zumutbar, weiter auf eine Einigung aller EU-Staaten über einen generellen Verteilungsmechanismus zu warten, sagte Oltmer. Nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre werde es auf absehbare Zeit nicht zu einer Einigung kommen. Dennoch sei es notwendig, parallel weiter darüber zu verhandeln, betonte der Historiker am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien der Uni Osnabrück. Vor allem müssten die Staaten, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollten, verpflichtet werden, die anderen Staaten finanziell zu unterstützen.

Oltmer forderte darüber hinaus eine langfristige Strategie für den Umgang mit Flüchtlingen, "einen echten globalen Pakt für Migration und Flüchtlinge". Dazu müsse in erster Linie das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) mit deutlich mehr Geld ausgestattet werden. Das UNHCR müsse in aufkommenden Krisensituationen schnell eingreifen und Flüchtlingen noch in ihren Heimatländern helfen können, damit sie nicht in andere Länder aufbrechen müssten. Zu prüfen sei, ob das UNHCR auch einen Beitrag dazu leisten könne, die Situation der Schutzsuchenden in Libyen zu verbessern. Allerdings müssten dafür in dem Bürgerkriegsland Schutzzonen geschaffen werden.

Die nordafrikanischen Staaten Tunesien und Marokko müssten ebenfalls von der EU unterstützt werden, forderte Oltmer. Sie hätten unter der europäischen Abschottungspolitik zu leiden, weil viele Flüchtlinge dort strandeten. Die Länder würden mit den Migranten alleingelassen. Pläne, dort Auffangzentren für Flüchtlinge zu installieren, seien deshalb bislang gescheitert. Wichtig sei es, vermehrt Möglichkeiten zu schaffen, besonders schutzbedürftige Flüchtlinge aus Nordafrika nach Europa auszufliegen.

epd Landesdienst Niedersachsen-Bremen