Startseite Archiv Nachricht vom 23. Mai 2019

Kirchliches Coworking

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Hannover. Raumhohe Fensterscheiben, riesige Holztische, auf denen nur ein Laptop und ein Kaffeetasse steht, Betonwände, Klebezettel mit Schlagworten und Ideen an Wänden und Fenstern: Der Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt hatte in das Zentrum für Coworking „Hafven“ nach Hannover eingeladen, um über neue Arbeitsformen in der Kirche zu diskutieren. Und der Kreativ-Raum „redete“ mit, als 31 Kitaleiterinnen und Pastoren, Verwaltungsleute aus Kirchenämtern und Landeskirchenamt, sowie Referentinnen übergemeindlicher Einrichtungen über künftige Zusammenarbeit in der Kirche sprachen. In vielen Beiträgen ging es immer darum, was man von den Gründerinnen und Startup-Unternehmen, die hier sich treffen, lernen kann. Zwei Hamburger Pastoren berichteten, wie sie mit 9 weiteren sich regelmäßig zum Coworking treffen.

In Führungen zum Auftakt zeigten Hafven-Gründer ihre Holz- und Metallwerkstatt, die offenen Büro- und Besprechungsräume, die im Schnitt 350 Mitglieder der Hafven-Gemeinschaft im Monat nutzen, um Ideen mit anderen auszutauschen und weiterzuentwickeln – oder auch nur einfach für sich zu arbeiten.

Eine der 1200 Mitglieder ist Sonia Erdmann, die früher Klimaschutzmanagerin im Haus kirchlicher Dienste war. Sie verglich ihre Arbeit hier mit der in der übergemeindlichen Einrichtung und bekannte sich als „Beides-Möger“. Bei der Kirche gebe es Routine und Komfort, ein eigenes Büro und „Verlass“. Im Hafven sei mehr Unruhe und sehr unterschiedliche Projekte werden verfolgt. Die „Gemeinschaft“, die ein eigenes internes Intranet hat, sei stark und kreativ. Jeden Tag treffe man andere Menschen, habe kein festes Büro, hat viel Freiheit und volle Selbstverantwortung. Arbeit und Leben gehen stärker ineinander über. „Für mich ist es inspirierend“, sagte sie. „Wir haben einen Auftrag, der Hafven nicht“ stellte die Präsidentin des Landeskirchenamtes Dr. Stephanie Springer fest. Das bestätigte Erdmann: „Der Hafven ist nur ein Hafen für jedes Schiffchen, das dann seinen eigenen Kurs verfolgt“.

Landessozialpfarrer Dr. Matthias Jung erinnerte an den „charismatischen Visionär“ Frithjof Bergmann, den Begründer der New-Work-Bewegung: Menschen mache nur Arbeit glücklich, die sie „wirklich, wirklich wollen“. Der Philosoph habe auch ihn selbst inspiriert, so Jung. Entscheidend seien weniger Strukturveränderungen als die innere Haltung der Mitarbeitenden. „Wenn ich tue, was mir Spaß macht, haben auch andere etwas davon“ so Jung.

Die beiden Hamburger Pastoren Meike Barnahl und Alexander Braun berichteten, dass sie sich in ihrem 200.000-Mitglieder großen Kirchenkreis Hamburg-Ost mit 11 Pastorinnen und Pastoren in einem Coworking-Zentrum in Bahnhofsnähe wöchentlich treffen, sich austauschen, gegenseitig auf Ideen bringen und zum Teil auch Vertretungen übernehmen. Anstoß für die 39-jährige und den 41-Jährigen war die Erkenntnis, dass sie in 11 Jahren weniger Gemeindeglieder, viel weniger Kollegen und trotzdem mehr Arbeit haben. Auf einer Lernreise haben sie unter anderem mit dem Schauspiel Leipzig, der Hamburger Sparkasse und der autonomen Szene gesprochen. „Wir wollten uns befremden lassen“ sagte Barnahl und ausgerechnet im Verteidigungsministerium haben sie das tiefste Gespräch geführt. Alle die Besuchten sind in Umbruchsituationen. Bei ihren Treffen im „geistlichen Atelier“ entwickeln sie gemeinsame Projekte, vernetzen sich, arbeiten aber auch ihre Tagesaufgaben fokussiert ab. Zurück in ihren Gemeinden fragen sie sich und andere, ob das Gemeindehaus in der jetzigen Form noch sinnvoll ist oder der ein oder andere Kreis. „Wir wollen nicht mehr mit viel Aufwand etwas aufrechterhalten, wo keine Energie hinter ist“, so Barnahl. „Hier geht es auch um gute Trauerarbeit“, ergänzt Braun. „Wie kann Arbeit 2030 so sein, dass sie uns Spaß macht?“ fragte sich Barnahl und erlebt, das in den Gemeinden durch andere Projekte Neues wächst. In ihrem Zukunftsentwurf könnten Pastoren-Kollegen ohne Stellenwechsel ihre Arbeit ausdehnen oder in schwierigen privaten Lebens-Situationen runterfahren. Gemeindegrenzen werden unwichtiger und man übernimmt Aufgaben in Region oder Kirchenkreis, die einem liegen.

Die Hannoverschen Kirchenmitarbeiter diskutierten in Arbeitsgruppen die Ideen dann für kirchliche Verwaltungen, übergemeindliche Einrichtungen und Gemeinden. Wichtig war durchgängig, dass man sich gut – auch digital – vernetzt, man etwas gemeinsam macht und herkömmliche Berufsbilder und Arbeitsabläufe in Frage stellt. Auch der Austausch mit außerkirchlichen Leuten schien den meisten – für beide Seiten – sinnvoll.

Öffentlichkeitsarbeit im Haus kirchlicher Dienste