Startseite Archiv Nachricht vom 03. Mai 2019

Evangelische Jugend veranstaltet kreativen Inklusiven Workshop-Tag „Normal ist anders“ in Diepholz / Filmworkshop mit „normalo.tv“

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Diepholz. „Willkommen in meinem Leben…“, sagt ein Mädchen leise, als die Video-Gruppe beim Inklusiven Workshop-Tag „Normal ist anders“ in der Diepholzer Nicolai-Kirche ihr Ergebnis  präsentiert. Der Film zeigt eine kurze Geschichte, in der eine bunt gemischte Gruppe gemeinsam etwas unternehmen möchte und plötzlich vor der Situation steht, dass einer von ihnen im wahrsten Sinne des Wortes ausgebremst wird. Im Gegensatz zu allen anderen kann der Junge im Rollstuhl die steile Treppe nicht überwinden. Eine alltägliche Szene, die deutlich macht, wie schnell aus Inklusion wieder Separation werden kann. Aber nicht für die Jugendlichen aus dem Video-Workshop: Bevor Betroffenheit und blöde Gefühle aufkommen, löst die Gruppe das Problem auch schon mit viel Witz, Kreativität und dem Ergebnis, dass alle zusammen bleiben und das gleiche erleben können. Auf den Moral-Zeigefinger verzichten die jungen Filmemacher dabei komplett – sie machen lieber mit beherztem, praktischen Handeln und Humor deutlich, dass gar nicht viel dazugehört, das Zusammenleben so hinzubekommen, dass es für alle gut, möglich und machbar ist.

„Wenn jeder Mensch überall dabei sein kann: Das ist Inklusion.“ So beschreibt es die „Aktion Mensch“ auf ihrer Internetseite. Und zu zeigen, wie dieses Ziel nicht nur in der Theorie, sondern  auch im Alltag klappt – das ist das Ziel des Inklusiven Workshop-Tags „Normal ist anders“, zu dem die Evangelische Jugend im Kirchenkreis Grafschaft Diepholz jedes Jahr einlädt. Die kreative Veranstaltung für Mädchen und Jungen mit und ohne Handicap fand jetzt bereits zum dritten Mal statt – und sie wird jedes Jahr bekannter und größer, freut sich Diakonin Frauke Laging, die Initiatorin.

Neben etlichen Bekannten begrüßen Frauke Laging, Kreisjugendwart Ingo Jaeger und Melissa Dützer vom Kirchenkreisjugendkonvent in diesem Jahr auch viele neue Gesichter. Mehr als 50 Jugendliche aus Barnstorf, Brockum, Cornau, Dickel, Diepholz, Drebber, Eydelstedt, Holdorf, Kirchdorf, Lemförde, Rahden, Rehden, Sulingen, Twistringen, Wagenfeld und Weyhe sind in die St. Nicolai-Kirche gekommen.

Erst mal gibt’s ein Begrüßungsgetränk, dann machen alle bei einem Fotoshooting mit und gestalten ein Motto-T-Shirt mit dem eigenen Namen und Unterschriften aller anderen Teilnehmer*innen darauf.

Die offizielle Begrüßung fällt kurz aus, denn alle sind gekommen, um etwas zu erleben. Kreisjugendwart Ingo Jaeger bringt die Gruppe mit seinen verrücktesten Lieblingsspielen in Bewegung und zum Lachen. Unterschiede und Berührungsängste treten in den Hintergrund, als alle sich nur noch mit Tierlauten verständigen dürfen und aus Klobürsten symbolische Zahnbürsten werden.

Gut die Hälfte der Jugendlichen war schon in den vergangenen beiden Jahren dabei und kennt sich. Aber auch die neu Dazugekommenen finden schnell ihren Platz in der „Normal ist anders“- Familie.

Dann geht es in die Workshops. Die Teilnehmer*innen  entscheiden selbst, ob sie mit Künstlerin Nina Lipinski aus Diepholz ihr eigenes Leben kreativ darstellen, mit Kreativ-Coach Marie Bredemeyer aus Diepholz mal in eine ganz neue Rolle schlüpfen oder mit dem YouTuber Udo Sist und Kamerafrau Sandra Wenzel aus Potsdam einen Film erarbeiten. Sist und Wenzel sind Stars in der jungen Inklusions-Szene. Udo Sist hat „normalo.tv“ gegründet, eine Initiative, die auf YouTube Interviews mit Menschen mit Behinderung zeigt. Mal ernste, mal witzige, immer ehrliche, echte Porträts von Leuten, die Fragen beantworten, ungeschminkt erzählen und zeigen, wie sie leben. „Mein Ziel ist es bei jedem Film, ohne Vorurteile, Mitleid und Bevormundung ein Bild von diesen Menschen zu vermitteln“, sagt er.

Udo Sist ist selbst im Rollstuhl unterwegs und freut sich, dass er in der Kirchengemeinde St. Nicolai in Diepholz verhältnismäßig wenig an Grenzen stößt. „Es gibt in dieser Kirche ja sogar eine Rampe, um in den Altarraum zu gelangen!“, staunt er. „Das ist nicht selbstverständlich – nicht mal bei inklusiven Veranstaltungen“.

Nach der ersten Workshop-Phase treffen sich alle Teilnehmer*innen in der Kirche zum Pizza-Büfett; die Jugendlichen zeigen sich schon mal die ersten Ergebnisse, Fotos und Filme aus den einzelnen Gruppen und haben sich viel zu erzählen. Dann geht es in die zweite Workshop-Phase. Der Video-Workshop macht sich an die Umsetzung des gemeinsam geschriebenen Drehbuchs und dreht die ersten Filmaufnahmen. Im Kreativ-Workshop von Marie Bredemeyer präsentieren sich die optisch völlig veränderten Jugendlichen unter Lobeshymnen und Gelächter und fotografieren sich gegenseitig. Und im Kunst-Workshop von Nina Lipinski zeigen die Mädchen und Jungen ihre sehr persönlichen Werke, die darstellen, was sie bewegt und beschäftigt, und tauschen sich darüber aus.

Am späten Nachmittag versammeln sich dann alle wieder, um ihre Ergebnisse zu präsentieren und das Erlebte mit den anderen zu teilen. Fotos werden gezeigt, Kunstwerke vorgestellt, und am Schluss fasst der Film zusammen, was allen an diesem heutigen Tag klar undwichtig geworden ist: Niemand soll ausgegrenzt werden. Es ist normal, verschieden zu sein.

Als Erinnerung erhalten alle ein Segensbändchen, das sie jemand anderem umbinden können, den oder die sie am heutigen Tag kennengelernt haben. Der darauf abgedruckte Segen wird mit allen gemeinsam gesprochen, dann geht es ab zum Gruppenfoto. Telefonnummern werden ausgetauscht und noch ein paar Selfies gemacht, danach verabschieden sich alle voneinander und versprechen sich: „Nächstes Jahr sind wir wieder dabei!“

Initiatorin und Diakonin Frauke Laging schließt die Kirchentür hinter der letzten Teilnehmerin ab. „Für ganz viele Leute ist es immer noch unvorstellbar, was wir heute hier miteinander erlebt haben“, sagt sie. „Nämlich, dass Unterschiede keine Rolle spielen. Jeder Mensch ist mit seinen Talenten wertvoll und wird von den anderen respektiert. Für die Jugendlichen bei unserer Veranstaltung war das alles ganz selbstverständlich – sie sind ohne Hemmungen aufeinander zugegangen, waren begeistert dabei, haben was Tolles gemeinsam auf die Beine gestellt und nehmen diese Botschaft nun mit und erzählen anderen davon, dass es geht. Das war das Ziel, das wir uns für ,Normal ist anders‘ gewünscht haben: Dass Jugendliche mit und ohne Behinderung gemeinsam ihre Unterschiedlichkeit feiern und entdecken, was alles in ihnen steckt. So können wir alle zusammen etwas am Miteinander in unserer Gesellschaft verändern. Und allen zeigen: Normal ist anders!“

Öffentlichkeitsarbeit der Kirchenkreise Syke-Hoya und Grafschaft Diepholz