Startseite Archiv Nachricht vom 29. Dezember 2018

"Europa ist die Lösung und nicht das Problem"

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Hannover. Landesbischof Ralf Meister ruft die Kirchen angesichts der Wahlen zum EU-Parlament im Mai zu einem aktiven Wahlkampf auf. "Wir brauchen neben den üblichen Wahlaufrufen der Bischöfe ein breites Spektrum von Initiativen, ohne dabei parteipolitisch zu werden", sagte der evangelische Theologe im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er wolle sich für gemeinsame Aktionen mit den katholischen Kirchen, Unternehmerverbänden, Gewerkschaften und allen demokratisch gewählten Parteien einsetzen. "Die klare Botschaft muss lauten 'Geht zur Wahl', weil Europa ein Teil der Lösung ist und nicht das Problem."

Auch wenn es momentan viele Schwierigkeiten gebe, wäre es eine Katastrophe, die EU als das Grundproblem dafür zu sehen. "Denn die Alternative dazu wäre eine Renationalisierung einzelner Staaten, wie wir sie zum Teil ja bereits erleben, und das kann auf gar keinen Fall eine Lösung sein", betonte Meister, der seit dem Herbst auch Leitender Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) ist. Nötig seien starke Bündnisse von Menschen, die Europa positiv gegenüber stünden.

"Meine Generation ist in einem Europa groß geworden, in dem stetig zusammenwuchs, was zusammengehört. Zum Schluss konnten wir als größte Errungenschaft sogar ohne Pass fast überall hinreisen", unterstrich der 56-Jährige. Die Vorstellung eines neu gewählten Parlaments mit möglicherweise mehrheitlich europakritischen Abgeordneten bringe ihn um den Schlaf. "Ich will mich nicht im Juni fragen müssen, was hast du eigentlich getan, um dies zu verhindern."

In diesem Zusammenhang betonte der Landesbischof, dass "einer der herausragenden Momente" in seinem Berufsleben seine Predigt im November am "Remberance Day" in England zum Ende des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren gewesen sei. "Dass ich an einem national sehr aufgeladenen Erinnerungstag in der Kathedrale im nordenglischen Ripon vor rund 2.000 Menschen, unter ihnen Hunderte ehemalige Soldaten, predigen durfte, bewegt mich noch immer."

Frieden sei für ihn auch ein großes Thema für 2019, sagte Meister. Die christliche Jahreslosung "Suche Frieden und jage ihm nach" sei kein Zufall, sondern eine Fügung: "Wachsende Auseinandersetzungen, darunter auch kriegerische wie zwischen Russland und der Ukraine, fordern uns permanent heraus. Und wir müssen uns fragen, was in den vergangenen Jahrzehnten an Friedensinitiativen eigentlich gelungen ist."

Als einen positiven Ansatz nannte Meister die Initiative „Auf dem Weg zu einer Kirche des gerechten Friedens“: In diesem Rahmen fördere die Landeskirche sechs Friedensorte mit insgesamt 600.000 Euro. Ziel sei es, Bildungsangebote für unterschiedliche Altersgruppen zu machen und Kirchenkreise und Kirchengemeinden in der Friedensarbeit zu unterstützen.

Die deutschen Kirchen müssten deutliche Mahner dafür bleiben, dass bei der Frage von Rüstungsexporten eine andere Linie gebraucht werde. "Allein wenn wir nur auf die Produktion von Kleinwaffen oder Munition schauen, ergibt sich eine verheerende Bilanz: Über 60 Prozent der Exporte gehen an Abnehmer, die nicht zur EU oder zur Nato gehören." Niemand könne garantieren, dass die Waffen nicht weiterverkauft würden.

Deutschland sei immer noch unter den Top fünf bei der Waffenproduktion. Im letzten Jahr seien Rüstungsexporte an 52 Staaten genehmigt worden, in denen teilweise die Menschenrechtslage sehr bedenklich sei, sagte Meister und fügte hinzu: "Die Kriege in aller Welt sind auch unsere Kriege, denn wir exportieren unsere Waffen dorthin. Wir tun nicht genug, um sie zu unterbrechen und letztlich zu beenden. Das erleben wir gerade in erschütternder Weise im Jemen."

epd-Landesdienst Niedersachsen-Bremen/Pressestelle