Startseite Archiv Nachricht vom 31. August 2018

"Rechtsextremismus widerspricht fundamental unseren christlichen Grundüberzeugungen"

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Wilfried Manneke ist Pastor in Unterlüß in der Südheide. Er engagiert sich seit vielen Jahren gegen Rechtsextremismus. Im Juni wurde er für seinen Einsatz vom Zentralrat der Juden mit dem Paul-Spiegel-Preis ausgezeichnet. Im Interview kritisiert er die massiven Grenzüberschreitungen in Chemnitz in den letzten Tagen und macht deutlich, dass Rechtsextremismus und christlicher Glaube miteinander nicht zu vereinbaren sind

Wie beurteilen Sie die Geschehnisse in Chemnitz?

Wilfried Manneke: Ich bin erschrocken über die Ausschreitungen in Chemnitz. Hetzjagd auf Menschen, nur weil sie ausländisch aussehen. Öffentliches Zeigen des Hitlergrußes. In Chemnitz wurden am Wochenende massiv Grenzen überschritten. Verbale, verletzende Grenzüberschreitungen sind ja in letzter Zeit wiederholt von AFD-Politikern begangen worden. In Chemnitz hat ein rechter Mob nun Taten folgen lassen.

Kann sowas auch hier in Niedersachsen passieren?

Die aktuellen Ereignisse in Chemnitz werden von manchen Beobachtern als Ausdruck einer längeren Entwicklung gesehen. Städte, Dörfer und Kreise wären von der Bundesregierung mit dem Zuzug von Asylbewerbern allein gelassen worden. Das rächt sich nun, wird gesagt. Ich sehe aber ein weiteres Problem: Besonders in Sachsen wurden die Gefahren, die vom Rechtsextremismus ausgehen, bisher zu sehr verharmlost. Das rächt sich jetzt auch.

Was kann man jetzt tun?

"Die Würde des Menschen ist unantastbar." Sie zu achten und zu schützen ist aber nicht allein die Aufgabe des Staates. Sie ist auch unsere Aufgabe. Deshalb dürfen wir weder Ausländerfeindlichkeit tolerieren noch die Meinung, dass nur das Starke gut sei. Wir können uns nicht vornehm heraushalten, wo wir rechtsextreme Meinungen hören. Wir müssen Stellung beziehen. Wenn Menschen angegriffen werden, Ausländer diffamiert oder verfolgt werden, dann müssen wir reagieren. Rechtsextremismus widerspricht fundamental unseren christlichen Grundüberzeugungen und Maßstäben. Als Christ muss ich sogar sagen: Rechtsextremismus und christlicher Glaube sind unvereinbar.

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Friedensbeauftragter: Rechtsextremen muss früher widersprochen werden

Der kirchliche Friedensbeauftragte Lutz Krügener hält einen breiten gesellschaftlichen Protest gegen die Ausschreitungen vom vergangenen Sonntag in Chemnitz für den richtigen Weg. Aktionen wie der Internetaufruf des Kampagnennetzwerkes Avaaz.org, einen offenen Brief gegen rechtsextreme Umtriebe zu unterzeichnen, seien überfällig, sagte der Friedensbeauftragte der hannoverschen Landeskirche am Donnerstag.

Der Protest sollte sich auf allen Ebenen zeigen, sagte der evangelische Pastor und Sprecher der "Initiative Kirche für Demokratie - gegen Rechtsextremismus" der Landeskirche. Dazu zählten die soziale Medien ebenso wie Demonstrationen gegen Neonazis, die nicht nur in Chemnitz, sondern auch etwa im niedersächsischen Braunschweig geplant sind.

In Chemnitz war es am Sonntag und Montag zu teilweise gewaltsamen Demonstrationen aus dem rechten Spektrum gekommen. Bei den Veranstaltungen wurde offen gegen Ausländer gehetzt und der Hitlergruß gezeigt. Am Montag mobilisierten zum Teil gewaltbereite Rechte rund 6.000 Demonstranten. Auslöser der Ausschreitungen war der gewaltsame Tod eines 35-jährigen Deutschen in der Nacht zum Sonntag am Rand des Chemnitzer Stadtfestes. Gegen zwei mutmaßliche Täter, einen 22-jährigen Iraker und einen 23-jährigen Syrer, wurden Haftbefehle erlassen.

Krügener sagte, er unterstelle nicht allen Chemnitzer Demonstrationsteilnehmern ein gefestigtes rechtsextremes Weltbild. Umso nachdenklicher mache es ihn, wenn diese Menschen sich in die Demonstration einreihten. "Spätestens, wenn jemand neben mir den Hitlergruß zeigt, sollte ich gehen!" Er rief dazu auf, bereits im Alltag zu widersprechen, wenn etwa in der Kneipe, im Chor oder im Sportverein fremdenfeindliche oder menschenverachtende Ansichten geäußert werden. "Wir haben da zu lange geschwiegen."

Die Initiative gegen Rechtsextremismus habe zum Beispiel Thesen entwickelt, um Jugendliche sprachfähig zu machen. Ein Argumentationstraining gegen rechte Parolen werde zunehmend von Menschen nachgefragt, die sich in der Flüchtlingsarbeit engagierten, sagte er. "Oft machen sie aber die Erfahrung, dass die besseren Argumente gar nicht gehört werden. Das sorgt für Frust." Doch auch, wenn sich jemand nicht auf eine längere Diskussion einlassen wolle, könne er intervenieren. "Ich sollte zumindest benennen, was aus meiner Sicht nicht okay ist."

epd-Landesdienst Niedersachsen-Bremen