Udo Groenewold erhält den Blickwechselpreis
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Reformierter Theologe wirkt Jahrzehnte für einen christlich-jüdischen Dialog auf Augenhöhe
Hannover/Leer. Christin oder Christ zu sein, das erfordert auch den Austausch mit dem Judentum. Diese Einsicht des christlich-jüdischen Dialoges ist heute für die evangelisch-reformierte Kirche in Deutschland und andere reformatorische Kirchen selbstverständlich. Ein Wegbereiter für einen respektvollen Dialog mit dem Judentum auf Augenhöhe ist der heute 82-jährige Udo Groenewold aus Leer in Ostfriesland. Für sein langjähriges und innovatives Engagement erhält der profilierte Theologe und reformierte Pastor im Ruhestand am Sonntag, 12. August, den Blickwechselpreis des Vereins Begegnung – Christen und Juden. Niedersachsen e.V. Die Verleihung steht unter der Schirmherrschaft des Landesbischofs Ralf Meister der Landeskirche Hannovers. Der Laudator ist Dr. Martin Heimbucher, Kirchenpräsident der Evangelisch-reformierten Kirche in Deutschland.
Als Groenewold Mitte der sechziger Jahre in Emden ins Pfarramt startete, da dachte der Theologe noch ganz anders. „Pastoren sollen nur über neutestamentliche Texte predigen“, lautete seine Auffassung. Das Alte Testament, die hebräische Bibel, verstand er eher als Vorgeschichte des Neuen Testaments. Davon hat ihn seine kürzlich verstorbene Frau Martha „gründlich kuriert“, sagt Groenewold rückblickend. Die Theologin und Ehefrau eröffnete ihm durch ihre hebräischen Sprachkenntnisse und ihre Wertschätzung der hebräischen Bibel die Einsicht in die Bedeutung dieses Buches für den christlichen Glauben.
Bald darauf reisten beide nach Israel und erlebten nach dem Holocaust und kurz vor dem Sechstagekrieg erstmals jüdisches Leben im Neuaufbau, ein Meilenstein für das spätere Engagement Groenewolds. Ein weiteres prägendes Ereignis war für den Pastor die Beteiligung an der Tagung der Synode der evangelisch-reformierten Kirche mit einer Hauptversammlung des reformierten Bundes 1982 in Aurich. Beides öffnete nach der Evangelischen Kirche im Rheinland auch in der reformierten Kirche den Weg zum Dialog, zum Sprechen „mit den Juden statt über die Juden“, so Groenewold. Im gleichen Jahr noch wurden 60 Überlebende des Holocausts nach Emden eingeladen, ein wegweisendes Ereignis auch für den inzwischen Leeraner Pastor Groenewold. Gleich mehrmals wurde in den folgenden rund 20 Jahren solche Treffen auch in Leer durchgeführt.
Neben den Meilensteinen waren es Begegnungen und Kontakte mit besonderen Persönlichkeiten, die Groenewold in seinem Engagement vorangebracht haben. Die Rabbiner Nathan Peter Levinson, Dr. Henry Brandt oder Dr. Joel Berger und Dr. Benjamin Barsilay sind einige Beispiele dafür, aber auch Bremens Bürgermeister Hans Koschnick. Es sind auch solche Beziehungen aus denen heraus sich Groenewolds Engagement im Vorstand der Gesellschaft für Christlich-jüdische Zusammenarbeit – zeitweilig als Vorsitzender –, in der Deutsch-israelischen Gesellschaft Ostfriesland und in Ausschüssen des reformierten Bundes zum christlich-jüdischen Dialog erklärt.
Das derzeit in Deutschland und Europa obenauf liegende Thema „Flucht“ hat der Pfarrerssohn Groenewold als Kind am eigenen Leibe erlebt. Ende April 1945 floh seine Mutter Charlotte mit ihm und seinen drei Geschwistern aus Groenewolds Geburtsort, dem Hugenottendorf Battin im Kreis Prenzlau, via Mecklenburg nach Flensburg. Dort wurden die Flüchtlinge aufgrund ihrer großen Zahl in der Nacht zum 8. Mai über die Grenze nach Dänemark gebracht. Der Pastor, Soldat und Vater Claus Groenewold brachte seine Familie danach illegal auf einem Minensuchbot nach Sylt, von wo aus die Familie nach Leer gelangte.
In seinem Theologiestudium in Göttingen wurde Groenewold noch mit dem ehemaligen Wortführer der Deutschen Christen Emanuel Hirsch konfrontiert, in Basel aber auch mit dem gern als „Kirchenvater des 20. Jahrhunderts“ bezeichneten, Schweizer reformierten Theologen Karl Barth.
Zu Groenewolds Verdiensten gehört schließlich auch sein Einsatz für eine würdige Gedenkstätte für die aus Leer vertriebenen und im Holocaust ermordeten Jüdinnen und Juden.
Stefan Heinze/Arbeitsfeld Kirche und Judentum