Startseite Archiv Nachricht vom 05. November 2016

Diakonie Deutschland: Teilhabegesetz muss verbessert werden

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Berlin/Bremen. Drei Tage vor der Anhörung zum geplanten Bundesteilhabegesetz im Bundestag fordert die Diakonie Deutschland Verbesserungen an der Reform der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen. Vorstandsmitglied Maria Loheide kritisierte am Freitag in Berlin, es könne nicht sein, dass einige neue Regelungen hinter das geltende Recht zurückfielen. Damit schloss sich der evangelische Verband dem Protest anderer Sozial- und Betroffenenverbände an. Auch die Beauftragten des Bundes und der Länder für die Belange behinderter Menschen bekräftigten nach einem Treffen in Bremen am Freitag noch einmal ihre Kritik.

Die Diakonie rief die Koalition auf, den Gesetzentwurf zu überarbeiten. Er soll bis Ende des Jahres verabschiedet werden. Behindertenvertreter kritisieren zahlreiche Aspekte des Vorhabens. Der Aktivist Raul Krauthausen sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), die sozialen Medien hätten es ermöglicht, den Protest zu verbreitern und hörbar zu machen. Für Montag sind in Berlin Kundgebungen am Brandenburger Tor und am Bundestag geplant.

Das geplante Bundesteilhabegesetz löst die bisherige Eingliederungshilfe ab, die es behinderten Menschen ermöglichen soll, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Bezahlt werden etwa Assistenten, die einem Rollstuhlfahrer das Leben in einer eigenen Wohnung ermöglichen, Fahrdienste oder Ausgaben für einen Blindenhund. Zur Eingliederungshilfe gehören auch Zahlungen, die Werkstätten oder Betreiber von Wohnstätten für Behinderte erhalten. Rund 700.000 Menschen beziehen in Deutschland Eingliederungshilfe.

Der Entwurf von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) ist unter Beteiligung der Verbände erarbeitet worden und sieht zahlreiche Verbesserungen vor, etwa für behinderte Berufstätige und ihre Angehörigen. Das Gesetz folgt außerdem den Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention, wonach behinderte Menschen einen Anspruch auf Inklusion statt auf Fürsorge haben. Aber die Verbände sehen auch neue Schwierigkeiten auf die Betroffenen zukommen. Loheide sagte, die Probleme seien teilweise gravierend.

So würden etwa behinderte Menschen, die außerdem Pflege brauchen, durch die geplanten Gesetzesänderungen auf die Leistungen der Pflegeversicherung verwiesen. Das sei aber nicht gerechtfertigt, weil sie Anspruch auf beide Leistungen hätten und die Eingliederungshilfe, anders als Pflegeleistungen, ausschließlich auf die Beteiligung am gesellschaftlichen Leben ausgerichtet sei. Das gelte insbesondere für junge behinderte Menschen, bei denen nicht die Pflege, sondern das Leben im Vordergrund stehen müsse.

Die Behindertenbeauftragten von Bund und Ländern bewerten insbesondere das sogenannte "Poolen von Leistungen" kritisch: Nach dem Entwurf könnten einige Hilfen nur dann gewährt werden, wenn sie gemeinschaftlich in Anspruch genommen werden, kritisierten sie in Bremen. Individuelle Aktivitäten, wie sich mit Freunden treffen oder Kinobesuche, wären schwer möglich. Die Regelung hätte Einfluss auf die Wohnform, denn Assistenz könnte dann oft nur in Wohngemeinschaften oder in Heimstrukturen organisiert werden. "Ein Poolen der Leistungen darf es nur geben, wenn die Betroffenen zustimmen", forderte die Beauftragte der Bundesregierung, Verena Bentele.

Kritisch sehen alle Sozial- und Behindertenverbände auch die Zugangsvoraussetzungen. Die Kriterien seien so gefasst, dass sie beispielsweise blinde oder hörgeschädigte Menschen, die keine weiteren Einschränkungen haben, von den Hilfen ausschlössen.

Nach Ansicht des Aktivisten Krauthausen, dem prominenten Gesicht des Protestes, wurden die Interessen der behinderten Menschen "mal wieder weitgehend ausgeklammert". Unter dem Hashtag #nichtmeingesetz sammelten nach seinen Angaben die Behindertenvertreter in den vergangenen Monaten den Protest und erreichten damit auf Twitter und Facebook große Aufmerksamkeit. Daraufhin hätten auch viele Medien berichtet.

epd-Landesdienst Niedersachsen-Bremen