Startseite Archiv Nachricht vom 02. Oktober 2016

Ernte-Dank

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Oktober. Herbst. Erntezeit. Kürbis, Äpfel, Birnen, Kartoffeln. Der Herbst war mal die Zeit, Vorräte anzulegen. Früher kamen die Zentnersäcke mit Kartoffeln in den Keller. Und im Regal standen die Weck-Gläser voll mit Kirschen, Bohnen, Gurken. Damit die Versorgung über den Winter gesichert war.

Die Bundesregierung hat vor kurzem dazu aufgefordert, für mögliche Katastrophenfälle vorzusorgen und wenigstens für zwei Wochen Vorräte zu lagern. Vorräte? Das macht heute fast niemand mehr. Das übernehmen inzwischen die Handelskonzerne. Die immer vollen Regale geben uns das Gefühl, ich brauche mich nicht zu sorgen, das machen andere – und die
Scheunen / Lagerhallen sind immer gut gefüllt. Dazu kommt, dass Lebensmittel nicht viel kosten. Und fast immer weniger, als sie wert sind.

Wer sorgt eigentlich für die Ernte?

Die Landwirte erleben gerade, dass ihre Produkte fast flächendeckend nicht den Preis erzielen, der für eine rentable Produktion nötig wäre. Milch, Fleisch, Getreide: Uns als Verbraucher erscheint es als völlig normal, dass wir uns so billig ernähren können. Das führt zum einen zu einem sorglosen Umgang mit Lebensmitteln. Viel zu viel landet nicht auf dem Teller, sondern in der Tonne. Und es führt zum anderen auf der Seite der Produzenten zu einem ruinösen Preisdruck. Hinzu
kommt bei vielen Landwirten das Gefühl, von uns als Gesellschaft und von der Politik nicht genügend wertgeschätzt zu werden. Mancher Bauer steht vor der
Frage, den Hof aufgeben zu müssen, oder hat es schon getan und damit eine jahrhundertealte Familientradition beendet. Da fällt es schwer, sich über die Ernte des Jahres zu freuen oder gar dankbar dafür zu sein.

Vielleicht schwindet aus diesem Grund auch die Bedeutung des Erntedankfests, sowohl bei den Landwirten als auch beim Rest der Bevölkerung. Für die meisten von uns gilt: Ich habe es nicht selbst produziert, weiß also nicht, wie viel Arbeit und Mühe in so einem Glas Bohnen, in einem Kilo Kartoffeln oder in einem Schnitzel steckt. Und ich muss trotzdem keine Angst haben, dass ich über den Winter hungern muss. Es ist reichlich
da. Soll ich für Selbstverständliches dankbar sein? Meist wird mein Blick dafür erst geschärft, wenn ich erlebt habe, dass es auch anders sein kann.

Dankbarkeit ist eine Grundhaltung

Hans Walter Wolff sagt: Der Mensch ist dazu da, das Geschenk des Lebens dankbar zu empfangen.

Scheinbar Selbstverständliches als ein Geschenk wahrnehmen, sich freuen über die Fülle des Lebens. Das kann den Blick verändern, mit dem ich auf das schaue, was mich ernährt, und auf den, der diese Arbeit für mich tut.

Darum ist es wichtig, dass zum Jahreslauf auch das Erntedankfest gehört und wir es gemeinsam feiern. Und uns wenigstens einmal im Jahr bewusst machen, dass die gedeckten Tische nicht einfach so da sind, sondern wir sie dem Zusammenspiel von Gottes Segen und menschlicher Arbeit verdanken.

Pastorin Ricarda Rabe, Kirchlicher Dienst auf dem Lande