Startseite Archiv Nachricht vom 29. Juni 2016

25 Jahre „Hörfenster“ für Blinde und Sehbehinderte

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Angefangen hat alles mit 60 Tonkassetten, die in einem zeitaufwändigen Verfahren von einer „Mutterkassette“ kopiert und anschließend in wattierten Briefumschlägen verschickt wurden. Heute sind es bereits 350 CDs, die professionell gebrannt und immer noch per Post an ihre Empfängerinnen und Empfänger versandt werden: Das „Hörfenster“ der Blindenseelsorge in der hannoverschen Landeskirche gibt es seit 25 Jahren. Im Tonstudio an der Knochenhauerstraße in Hannover wurde aus diesem Anlass Mitte Juni eine Jubiläumsausgabe produziert, die einen Blick auf die Entstehungsgeschichte des Hörmagazins für blinde Menschen wirft.
„Angeregt durch verschiedene Hörmagazine für Blinde, die es damals bereits gab, rief ich vor 25 Jahren ein kleines Redaktionsteam zusammen“, erinnert sich Pastor i. R. Werner Humberg, damals Blindenseelsorger und Initiator des Hörfensters. Wunsch des Redaktionsteams war es, dass blinde und sehbehinderte Menschen die Texte in Zusammenarbeit mit Sehenden nicht nur auswählen, sondern sie auch vor dem Mikrofon selbst lesen sollten. Im Dienstzimmer von Pastor Humberg in der St.-Jakobi-Gemeinde im hannoverschen Stadtteil Kirchrode wurde diese Idee besprochen, anschließend wurden die ersten Texte und Musikbeiträge ausgewählt sowie Sprecherinnen und Sprecher gesucht. Im Landeskirchenamt warb der Blindenseelsorger um ideelle und finanzielle Unterstützung – gewährt wurde ihm nur Erstere. Allerdings stellten der Evangelische Pressedienst und die Evangelische Zeitung Nachrichten und Beiträge kostenfrei zur Nutzung zur Verfügung und der Evangelische Kirchenfunk half mit Studiozeit sowie redaktionellem und technischem Knowhow. „Ohne die teilweise ehrenamtliche Tätigkeit von Mitarbeitern des Kirchenfunks wäre die Produktion damals kaum möglich gewesen“, erinnert sich Werner Humberg.
Bald wurde dann auch ein Name für das neue Magazin gefunden: Dirk Meine, 1991 im Sondervikariat in der Blindenseelsorge in Hannover tätig, schlug „Das Hörfenster“ vor und traf damit auf breite Zustimmung. Die Inhalte des Magazins wurden während der vergangenen zweieinhalb Jahrzehnte
nur behutsam angepasst: Nach wie vor sind im Hörfenster Berichte aus Kirche und Blindenseelsorge zu finden, dabei werden regelmäßig ethische und Glaubensfragen diskutiert. Wichtig sind den Redakteurinnen und Redakteuren auch die Andacht, der Blick über den kirchlichen Tellerrand hinaus und eine Bandbreite, die sowohl junge wie auch ältere Menschen anspricht. Und dann gibt es auch noch Musik: „Für die Musikauswahl haben wir wohl über die Jahre die meiste Kritik eingesteckt“, erzählt Pastor i. R. Bernd Schliephake, der die Redaktionsleitung für das Hörfenster von Werner Humberg übernahm. Anders als dieser traf er für die Redaktionskonferenzen eine Vorauswahl an Texten und straffte so den organisatorischen Vorlauf vor jeder Studioaufnahme.
Schliephake, heute Vorsitzender des Christlichen Blindendienstes Niedersachsen-Bremen, erinnert sich noch gut an die Diskussionen, die geführt wurden, als das Hörfenster von der Tonkassette auf CD umstellte: Ältere Menschen könnten mit dieser Technik nicht umgehen, wurde damals befürchtet. Eine ähnliche Diskussion steht auch zurzeit wieder ins Haus: Ins Auge gefasst wird der elektronische Versand des Magazins, etwa in Form von MP3-Dateien – noch aber sei die CD erste Wahl, sagt Blindenpastor Andreas Chrzanowski, heute Redaktionsleiter des Hörfensters. Der Landeskirchliche Beauftragte für Blinden- und Sehbehindertenseelsorge schreibt einen Teil der Texte selbst und liest sie auch selbst vor dem Mikrofon. „Dabei sind die Finger, die über das Blindenpapier gleiten, auf der Aufnahme zu hören“, erzählt er. Nach ersten Befürchtungen, dies könnte die Qualität der Aufnahme beeinträchtigen, glaubt er nun, dass sie im Gegenteil sogar mehr Authentizität gewinnt.
Mehr als in den Anfangsjahren haben die heutigen Ausgaben des Hörfensters auch Hörspielcharakter: Gut vorbereitete Sprecherinnen und Sprecher versammeln sich im kleinen Tonstudio, das Andreas Chrzanowski in seiner Wohnung eingerichtet hat, und erfüllen die Texte mit Leben. Toningenieur Detlef Splitt, als freier Mitarbeiter seit mehr als sieben Jahren bei jeder Produktion dabei, hat großen Anteil an der hohen Qualität des Hörmagazins: Er ist nicht nur Herr über die Regler am Mischpult, sondern auch Produzent. „Er gibt uns wichtige Tipps zu unserer Sprechweise, zur Betonung und zu den Pausen“, erzählt Diakonin Elke Wilke, die seit vielen Jahren zum siebenköpfigen Team der Sprecherinnen und Sprecher gehört. „Ich bin auch die Instanz, die manchmal kategorisch ‚Stopp‘ sagt, wenn eine Aufnahme zur Hälfte aus ‚Ähs‘ besteht“, ergänzt Detlef Splitt.
Sorgfalt und Fachkenntnis, mit denen das Hörfenster produziert wird, zahlen sich aus: Bundesweit gibt es viel Lob für die Qualität des Magazins, das als aktuell, lebendig, informativ und unterhaltsam wahrgenommen wird. „Aus dem Hörfenster heraus hat sich eine Art Gemeinde entwickelt“, erzählt Blindenseelsorger Chrzanowski. „Aus dieser Gemeinde bekommen wir viele Rückmeldungen zu unserer Arbeit – meistens sind es positive.“
Das Hörfenster erscheint viermal jährlich und wird kostenfrei an alle Interessierten verschickt.

Andrea Hesse, Öffentlichkeitsarbeit des Zentrums für Seelsorge

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