Startseite Archiv Nachricht vom 04. Oktober 2015

Predigt mit Smartphone und Trainingsjacke

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Hildesheim. Die Tür zum Kirchenraum fliegt auf. Ein junger Mann im roten Trainingsanzug spurtet durch den Mittelgang der Stuhlreihen. Er macht auf der Bühne Liegestütze und Sit-Ups, tupft sich mit einem Handtuch den Schweiß aus der Stirn und beginnt dann, schwer atmend, zu predigen.

Der junge Mann ist Julius Albrecht, 18 Jahre alt. Er kommt aus Nettlingen im Landkreis Hildesheim und spielt dort beim TuS Fußball. Aber an diesem Abend predigt er über die großen Platanen in seinem Heimatort. Riesige Bäume, die schon immer da gewesen seien. Ein sehr persönlicher Text. Julius Albrecht erzählt, inzwischen am Bühnenrand sitzend, davon, dass Bäume das Herz öffnen, die Gedanken erweitern können.

„Bäume des Lebens“ ist das Thema des diesjährigen Bundeswettbewerbs „Jugend predigt“, den das Zentrum für evangelische Predigtkultur Wittenberg, die evangelische Landeskirche Hannover und das Literaturhaus St. Jakobi Hildesheim gemeinsam ausgerichtet haben. In der St. Jakobikirche findet an diesem Abend das Finale des Wettbewerbs statt. Acht PredigerInnen zwischen 16 und 20 Jahren wurden nach Hildesheim eingeladen, um an einem dreitägigen Coaching teilzunehmen. In Workshops, die ein fünfköpfiges Team des Zentrums für evangelische Predigkultur in Wittenberg gab, setzten sich die Jugendlichen gemeinsam mit Präsentation und Inhalt ihrer Predigten auseinander. Und dabei ist ein Zusammengehörigkeitsgefühl entstanden. „Eine tolle Erfahrung“, sagt der 16jährige Simon Luca Wellner. „Egal, wer heute Abend gewinnt. Der Hauptpreis war, dass wir hier dabei sein durften.“

Und so stehen an diesem Abend alle gemeinsam auf der hellen Holzbühne, die schräg in den Kirchenraum ragt. Die Jugendlichen hocken am Bühnenrand, auf Stühlen, lehnen im Hintergrund unterm Kreuz. Durch den Abend führt Peter Noß-Kolbe, der Beauftragte für Schule und Kirche in der Region Hildesheim. Die Predigten der FinalistInnen sind einfallsreich inszeniert. Der 17-Jährige Magnus Spiegelberg tritt, eine Händel-Arie singend, hervor. Jonathan Golder aus Schondorf bei Stuttgart stellt sich vor, wie das wäre, ein Baum am Wasserlauf zu sein. Und Johanna Schnute aus Göttingen streift sich eine Pluderhose über und verwandelt sich so in eine jugendliche Kirchentag-Besucherin.

Die 19jährige Lisa-Marie Miethe aus Sibbesse pflanzt, während sie predigt, einen kleinen Baum in einen Blumentopf. Sie spricht über die Schöpfungsgeschichte und den Baum des Lebens. „Wir sind immer in unserer Gemeinde verwurzelt“, sagt sie. Die 18jährige Jule Ender wendet sich direkt ans Publikum. „Was haben Sie in Ihrer Hosentasche?“ fragt sie unumwunden. Und erzählt dann von der Münze, die sie von der linken in die rechte Hosentasche stecke. Immer dann, wenn ihr das Glück über den Weg läuft.

Katharina Filges hat ein Senfkorn in ihrer Hosentasche. Aber was ist das eigentlich? Sie zückt ein Smartphone und googelt. Die 19-Jährige aus Sarstedt, die in Göttingen ein Studium der Theologie begonnen hat, erzählt von der Vertreibung aus dem Paradies. Und im selben Atemzug davon wie es ist, aus dem Elternhaus auszuziehen. Schluss mit Hotel Papa. Eine besondere Predigt und die letzte des Abends hält Simon Luca Wellner. Der Jüngste unter den FinalteilnehmerInnen reimt auf der Bühne. Das bleibt hängen.

Dann zieht sich die Jury um Landesbischof Ralf Meister zurück. Es werden Zwiebelkuchen und Federweißer gereicht. Das Felix-Lopp-Trio spielt entspannten Jazz. Und die Jury berät gründlich. Ein Ausweis „der außerordentlichen Qualität“ der Predigten, wie Ralf Meister, Schirmherr von „Jugend predigt 2015“, eine Stunde später in seiner Laudatio auf die TeilnehmerInnen des Finales betont.

Den Sonderpreis für ein gelungenes Sprachexperiment verleiht die Jury Simon Luca Wellner aus Lippstadt für seine Predigt in Reimform. Der Hauptpreis für die beste Predigt, mit 500 Euro dotiert, geht an Katharina Filges. Die 19-Jährige durfte ihre Predigt über den Rauswurf aus dem Paradies noch einmal am nächsten Morgen beim Erntedankgottesdienst in der Hildesheimer Markuskirche halten.

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