Startseite Archiv Nachricht vom 23. September 2015

Auf die Töne klopfen, bis Religion herauskommt

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Hildesheim. Der Songwriter Nick Drake, die Jazz-Ikone Wayne Shorter, Paulus’ Korinther-Briefe, ein französisches Weihnachtslied: All das hat bei dem Duo „Waves“ auf einer einzigen CD Platz. Mit Saxofon und Orgel verpassen Uwe Steinmetz und Daniel Stickan dem Jazz und der Kirchenmusik gleichermaßen einen neuen Anzug. Kein Wunder, dass die bestens ins Konzept der „Vision Kirchenmusik“ passen. Am Sonntag, 4. Oktober, sind sie in der Hildesheimer Andreaskirche zu erleben – bei einem Gottesdienst der ganz anderen Art.

„Vision Kirchenmusik“ ist ein Projekt der evangelischen Landeskirche Hannovers, das nach neuen klanglichen Impulsen für das kirchliche Leben allgemein und den Gottesdienst im Besonderen sucht. Jetzt macht das Projekt mit zwei speziellen Gottesdiensten in der Reihe „Andreas um 6“ Station. Noch vor dem Jazz-Duo ist – bereits am 27. September – ein Gospelgottesdienst zu erleben, der den üblichen Rahmen dieses Genres sprengen soll. Beide Male geht es um 18 Uhr los.

Aber was ist daran so ungewöhnlich: Jazz oder Gospel im Gottesdienst? „Das Besondere ist für mich, dass die Musik von vornherein an erster Stelle steht“, sagt Silke Lindenschmidt, Projektleiterin bei „Vision Kirchenmusik“. Normalerweise werde erst der inhaltliche Ablauf eines Gottesdienstes geplant, dann komme die Musik als Ausschmückung oder Ergänzung hinzu.

Hier nun funktioniert es umgekehrt. „Der Gottesdienst wird aus der Musik heraus entwickelt, formal wie inhaltlich“, erklärt Helmut Aßmann, der beim „Waves“-Abend den theologischen Part übernehmen wir. „Wir klopfen gewissermaßen auf alltagsübliche Kulturformen und schauen, ob da Religion drin ist“, so der Superintendent. „Das ist ein Zugang, der uns möglicherweise noch einmal anderes über Gottesdienste nachdenken lässt.“

Beim Gospelgottesdienst, den die Gospelkirche Hannover unter der Leitung von Jan Meyer mitgestaltet, beginnt das „Klopfen“ tief in der Geschichte, bei den Ursprüngen des Gospel in der Sklaverei Nordamerikas. Von dort, so Andreaspastor Detlef Albrecht, der am kommenden Sonntag auf der Kanzel stehen wird, spannt sich ein Bogen zur Flüchtlingsproblematik der Gegenwart. Die Musik selbst lege diesen historischen Brückenschlag nahe. Beim Jazzabend eine Woche später soll dann ein klassischer Choral eine intensive Wandlung durchmachen und auf diese Weise neue spirituelle Impulse geben. „Es ist ein Format, das aufbricht und überrascht“, kündigt Silke Lindenschmidt an.

„Das sind natürlich keine Gottesdienste, die man jedes Wochenende feiern kann“, sagt Helmut Aßmann, und die beiden anderen nicken zustimmend. Die Vorbereitung sei zu arbeits- und zeitaufwändig. In diesem Jahr sind deshalb keine weiteren geplant, doch im nächsten Jahr wären durchaus neue Termine möglich – und warum nicht auch mal mit Schlagermusik? Wichtig sei nicht das Genre, so Aßmann, sondern, dass eine hohe Qualität gewahrt bleibe. „Etwas anderes würden wir uns in St. Andreas auch nicht leisten“, stimmt Detlef Albrecht zu.

Die beiden Gottesdienste sind nicht nur für Hildesheim Modellversuche. Die Erfahrungen sollen ausgewertet und allen Gemeinden der Landeskirche zur Verfügung gestellt werden. Silke Lindenschmidt ist voller Vorfreude: „Diejenigen, die kommen, dürfen sich auf eine außergewöhnliche Art von Gottesdienst freuen.“

Evangelisch-lutherischer Kirchenkreis Hildesheim-Sarstedt