Startseite Archiv Nachricht vom 15. September 2015

Im Herzen der Stadt

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Hannover (epd). Rechtzeitig zu seinem 175-jährigen Bestehen hat das Friederikenstift in Hannover mit einer sehr alten Tradition gebrochen. Erstmals wurden zwei Männer in die Schwesternschaft der Friederiken aufgenommen. "Ich wollte dazugehören und irgendwer von den Männern musste ja anfangen", sagt Pfleger Matthias Redder.

Anfangen und anpacken wollte auch die Hannoveranerin Ida Arenhold. Im Jahr 1840 gründet sie den Frauenverein für Armen- und Krankenpflege, mit dem die Geschichte der ältesten Klinik Norddeutschlands beginnt. Heute ist das evangelische Krankenhaus, das sein Jubiläum am 20. September mit einem "Tag der offenen Tür" feiert, mit seiner Palliativstation und eigenen Demenzlotsen beispielhaft für die Versorgung älterer Patienten.

Landesbischof Ralf Meister, der am 4. Oktober beim Festakt in der Neustädter Kirche predigen wird, sieht in dieser Vorreiterrolle eine historische Tradition. Ida Arenhold sei ein "Inbegriff für Beharrlichkeit und Gottvertrauen gewesen, mit Mut zu ungewöhnlichen Ideen, voll beharrlicher Präsenz", schreibt er in einer 265-seitigen Festschrift zum Jubiläum: "Eine Grundhaltung, mit der Lebensrettendes, Lebenserhaltendes aufgebaut werden konnte. Eine Haltung, die auch heute die Arbeit im Friederikenstift prägt." Das Bemühen um die persönliche Situation der Patienten stehe im Mittelpunkt der Arbeit.

Das hängt nach Ansicht von Öffentlichkeitsreferentin Christel Suppa maßgeblich mit der Arbeit der Diakonieschwestern zusammen. "Sie verstehen sich als Friederiken und haben einen anderen Umgang mit Patienten. Die Pflege soll mehr als satt und sauber sein." 580 Mitglieder zählt die Schwesternschaft derzeit, das sind 75 Prozent des gesamten Pflegepersonals. Wer in die Gemeinschaft eintritt, hat viele Vorteile. Mitgliedern mit Kindern beispielsweise werden flexible Arbeitszeiten angeboten. Zu erkennen sind die Schwestern an ihrer silbernen Brosche mit der aufgeprägten Lutherrose. Die dunkelblauen oder schwarzen Trachten aus schwerem Stoff mit weißem Kragen und weißen Manschetten werden nur noch zu Festtagen angezogen.

In der Mitte des 19. Jahrhunderts, als Ida Arenhold den Verein gründete, lebten viele Familien in elenden Verhältnissen, eine Folge der Industrialisierung. Der damalige König Ernst August schenkte dem Verein ein Grundstück. Ein Jahr später gab er ihm den Namen Friederikenstift, benannt nach seiner verstorbenen Frau. Für SPD-Oberbürgermeister Stefan Schostok ist das Stift untrennbar mit der Geschichte Hannovers verbunden. "Das Haus befindet sich noch immer an seinem angestammten Platz in der heutigen Calenberger Neustadt - im Herzen der Stadt und im Herzen der Menschen." Obwohl es gleich zweimal ausgebombt wurde, nahm es den Arbeitsalltag nach kürzester Zeit wieder auf. Auch das größte Hochwasser in der Geschichte Hannovers im Jahr 1946 konnte den Betrieb nicht lange stoppen.

Jetzt steht die Klinik vor einer neuen Herausforderung. Bereits seit 2006 ist sie Bestandteil der "Diakonische Dienste Hannover gGmbH" (DDH) - mit rund 4.300 Beschäftigten und einem jährlichen Umsatz von rund 330 Millionen Euro der größte Diakonie-Konzern in Niedersachsen. Mit einer neuen Konzernstrategie will die Unternehmensgruppe nun nach mehreren Jahren mit Verlusten wieder schwarze Zahlen schreiben. Dabei sollen das Friederikenstift, die Henriettenstiftung und das Annastift bis 2017 zu einem einheitlich geführten Großkrankenhaus an drei Standorten zusammengeführt werden.

Für Pfleger Matthias Redder ist das Stift im Laufe der Jahre zu einem Stück Heimat geworden. Vor einem Vierteljahrhundert machte der 46-Jährige dort seine Ausbildung - und blieb. Vergangenes Jahr wurde er zum außerordentlichen Mitglied der Friederiken gewählt. "Die Schwesternschaft ist eine starke Gemeinschaft", sagt er.

Dass Redder mit nur einem anderen männlichen Kollegen allein unter Frauen ist, stört ihn nicht. Im Pflegeberuf sei das schließlich nichts Neues. Eine Tracht habe er als außerordentliches Mitglied nicht, aber bei der Arbeit trage er die Brosche, sagt er. "Wenn ich schon beigetreten bin, soll man das ja auch sehen."

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