Startseite Archiv Nachricht vom 26. Juni 2015

Ablösung von Staatsleistungen - Landesregierung sieht keinen Handlungsbedarf

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Bückeburg/Hannover (epd). Der Präsident des niedersächsischen Staatsgerichtshofs, Herwig van Nieuwland, hat sich für eine Ablösung der sogenannten Staatsleistungen an die evangelischen Kirchen ausgesprochen. Es sei Zeit, den Verfassungsauftrag dafür zu erfüllen, erklärte van Nieuwland am Freitag in Bückeburg. Die jährlichen Staatsleistungen sollen die Kirchen für Enteignungen in der Zeit der Säkularisation am Anfang des 19. Jahrhunderts entschädigen. Sie werden den Angaben zufolge im Jahr 2015 in Niedersachsen bei mehr als 34 Millionen Euro liegen. Das Kultusministerium in Hannover reagierte zurückhaltend auf die Forderung.

Die Kirchen zeigten sich offen für Verhandlungen über eine Ablösung. "Wir verschließen uns dem in keiner Weise", sagte die Präsidentin des evangelisch-lutherischen Landeskirchenamtes in Hannover, Stephanie Springer, dem epd. Allerdings seien in dieser Frage erst einmal Bund und Länder am Zuge. Die Kirchen könnten es allerdings gut vertreten, dass sie Staatsleistungen erhielten. "Wir zahlen aus eigenen Mitteln mehr als das Doppelte von dem, was wir bekommen, an Staat und Gesellschaft zurück", sagte Springer. Sie verwies dabei auf Kindertagesstätten, die Denkmalpflege oder die Seelsorge an Strafgefangenen.

Van Nieuwland hatte seinen Aufruf bereits bei der Festveranstaltung zum 60-jährigen Bestehen des "Loccumer Vertrags" zwischen dem Land Niedersachsen und den fünf evangelischen Landeskirchen am Dienstag in Hannover vorgetragen. Um die Staatsleistungen abzulösen, müsste das Land einen einmaligen Entschädigungsbetrag in größerer Höhe zahlen. "Ernsthafte Anstrengungen, diesen eindeutig formulierten Verfassungsauftrag zu erfüllen, sind seit der Weimarer Republik nicht unternommen worden", erläuterte der Jurist.

Eine Sprecherin des Kultusministeriums sagte dem epd: "Gegenwärtig sieht die niedersächsische Landesregierung keinen Handlungsbedarf bezüglich der Staatsleistungen." Zunächst müsse der Bund mögliche Grundsätze für eine Ablösung aufstellen. Dafür gebe es derzeit aber keine Anzeichen. Grundsätzlich wären die finanziellen und volkswirtschaftlichen Schwierigkeiten einer Ablösung nicht zu unterschätzen.

Zudem leisten die Kirchen wichtige Aufgaben, besonders als freie Träger von Schulen, Kinderbetreuung und sozialen Aufgaben. "Vor allem in Hinblick auf den demografischen Wandel mit weniger jungen und mehr älteren Menschen wird dieses Engagement notwendig bleiben."

Die Staatsleistungen gehen auf die Enteignung und Säkularisierung kirchlicher Güter im 19. Jahrhundert zurück. Bereits die Weimarer Reichsverfassung von 1919 hatte die Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen vorgesehen. Dieser Passus wurde ins Grundgesetz übernommen. Derzeit erhalten die katholische und die evangelische Kirche bundesweit etwa 460 Millionen Euro an Staatsleistungen im Jahr.

Die beiden großen Kirchen haben mehrfach die Bereitschaft geäußert, über die Ablösung der Staatsleistungen zu verhandeln. In Niedersachsen erhalten andere Religionsgemeinschaften wie die jüdischen Gemeinden sowie der Humanistische Verband ebenfalls Staatsleistungen.

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