Startseite Archiv Nachricht vom 10. Mai 2015

Diakonie Himmelsthür lädt zur Bettelsuppe mit mittelalterlichem Flair

Die vollständige Darstellung von Archivmeldungen befindet sich noch im Aufbau. Schauen Sie in Kürze noch mal vorbei!

Hildesheim. „Eine milde Gabe für eine warme Suppe“ steht auf dem Kärtchen, das Claudia Beier Soares am Gemüsestand der Verkäuferin hinüberreicht. Mascha Panke hätte die Erklärung schon nicht mehr gebraucht, inzwischen sind alle Standbetreiberinnen und -betreiber auf dem Hildesheimer Wochenmarkt im Bilde: Diese „Hildesheimer Gestalten“ in Umhängen aus grobem Sackstoff sammeln für eine Bettelsuppe. Da gibt es natürlich auch gleich eine Tüte mit Mohrrüben für den guten Zweck und die gute Idee. Auch Stefan Bolchert schwenkt stolz die Tüte mit seiner Beute. Nebenan am Kräuterstand ist Verkäufer Sebastian Isensee gerade eingefallen, dass er ja auch Probetütchen von seinen Gewürzen hat, „schön scharf“, das müsste doch das Richtige sein.

Wie fühlt es sich an, um sein Essen zu bitten? Als Bettler zu einer Randfigur der Gesellschaft zu werden? Das haben viele Menschen mit Behinderung und andere ehrenamtliche Helfende während des Wochenmarktes in Hildesheim ausprobiert. Die zweite Aktion in der Reihe „1200 Hildesheimer Gestalten“ hat die Diakonie Himmelsthür, namentlich Projektleiterin Miriam Raabe, gemeinsam mit der Lebenshilfe, den proWerkstätten Himmelsthür und der Herberge zur Heimat organisiert. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zogen sich ein Bettelgewand über und sammelten auf dem Markt Zutaten für eine Bettelsuppe – die so genannte Steinsuppe nach historischem Rezept. Davon sollte dann später jeder probieren dürfen.

Erst einmal ein ungutes Gefühl, mit so einer Bitte an die Verkaufsstände heranzutreten, fand Judith Hoffmann, Regionalgeschäftsführerin der Diakonie Himmelsthür. Aber das verging bald: „Die Spendenbereitschaft der Hildesheimer ist ganz großartig“, hat sie festgestellt. Sogar ganze Suppenhühner seien verschenkt worden. Und überhaupt: „Ich finde, was Toleranz angeht, sind wir in Hildesheim schon weit gekommen.“

Die Marktbeschickerinnen und -beschicker waren aus der Zeitung über den Sinn der Aktion informiert und reichten ohne Zögern die frischen Zutaten für die Suppe über ihre Auslagen. Eine Gruppe von „Bettlerinnen“ und „Bettlern“ zog sogar bis zum Neustädter Markt und kehrte ebenfalls mit reicher Ausbeute zurück. Schon am Morgen seien englische und finnische Touristen auf das Zelt der Diakonie Himmelsthür aufmerksam geworden, erzählt Judith Hoffmann. Als die erfuhren, dass hier eine wohltätige Aktion im Gange sei, gingen sie kurzerhand in die Hotelküche „betteln“.

Während die Bettelgruppen noch unterwegs waren, liefen im Kochzelt schon die Küchenarbeiten an. Das Duisburger Team „Das Kommando Verpflegung“ von Matthias Fischer und die Mitglieder eines inklusiven Kochkurses aus dem „Treffer“ in der Nordstadt schnippelten Kartoffeln und Zwiebeln, Möhren und Kohlrabi. Bald zog ein appetitanregender, würziger Duft über die Lilie. Dort hatte auch der Behindertenbeirat der Stadt einen Stand aufgebaut mit einem weiteren Angebot, in eine ungewohnte Rolle zu schlüpfen: Wer wollte, konnte einmal eine Runde mit dem Rollstuhl oder Taststock durch die Stadt machen.

Passend zum historischen Suppenrezept stand der ganze Vormittag für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Zeichen des Mittelalters. Nachdem die Zutaten für rund 150 Liter Suppe beisammen waren, zogen die Bettler ihre Kittel aus und machten sich mit Kostümführerinnen auf Entdeckertour. Ingrid Coughlan zum Beispiel war in die Rolle der Witwe Margreta Bex geschlüpft und erzählte der Gruppe stolz von ihren Erfolgen als Tuchhändlerin. Ihr Name steht noch neben dem ihres Mannes Hans Storre über dem Eingang des heutigen Sparkassengebäudes.

Auf der Lilie hatten sich inzwischen allerlei weitere kostümierte Gestalten versammelt: Die Musikgruppe „Klanginferno“ lockte mit Dudelsäcken, Trommeln und Schalmei die Passanten auf die Lilie. Das kam den Tänzerinnen und Tänzern der Gruppe „Gaudium in Saltando“ gerade recht. Denn die führten nicht nur selbst mittelalterliche Tänze vor, sie brachten auch ruckzuck einen großen Kreis von Zuschauern zum Mitmachen. Bald gab es hier eine bunte Reihe von hüpfenden und drehenden Menschen, die sichtlich eine Menge Spaß hatten. Der Trubel lockte auch Oberbürgermeister Ingo Meyer aus seinem Büro im Rathaus nach draußen.

Nach so viel Bewegung war der Appetit auf ein deftiges Mittagessen umso größer, und tatsächlich war die Bettelsuppe pünktlich fertig. Vor dem weißen Zelt bildete sich eine lange Schlange von hungrigen Gästen – und die Suppe schmeckte genauso lecker wie sie roch.
 

Wiebke Barth / Kultur und Kommunikation