Startseite Archiv Nachricht vom 05. Mai 2015

Ein Studienhaus als "Kaderschmiede" - Das Theologische Stift in Göttingen feiert sein 250-jähriges Bestehen

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Göttingen (epd). Eine kleine Gemeinschaft von Göttinger Studenten und Dozenten wurde zur theologischen "Kaderschmiede": Gerhard Uhlhorn (1826-1901), einer der Gründungsvater der hannoverschen Landeskirche, war im 19. Jahrhundert Seminardozent am Theologischen Stift. Auch Julius Wellhausen (1844-1918), Mitbegründer der modernen historischen Bibelkritik, unterrichtete dort seine Kommilitonen. An diesem Wochenende feiert die viertälteste Einrichtung der Göttinger Universität ihr 250-jähriges Bestehen.

1765 als "Collegium theologicum repetentium" gegründet, diente das Stift zunächst nur der Förderung des wissenschaftlichen theologischen Nachwuchses. Erst im Jahr 1857 wurde es nach Vorbild des Tübinger Evangelischen Stifts in ein Wohnhaus für evangelische Theologiestudenten und Repetenten umgewandelt, die dort gemeinsam lebten und studierten.

Weitere zehn Jahre später erhielt das Stift, nun schon unter seinem heutigen Namen, eine neue Struktur mit einem Studieninspektor als Leiter. Viele dieser Inspektoren brachten es später zu wissenschaftlichem Ruhm, unter ihnen der Kirchengeschichtler Carl Mirbt, der Alttestamentler Alfred Rahlfs und der systematische Theologe und Religionswissenschaftler Rudolf Otto (1869-1937), der durch sein Hauptwerk "Das Heilige" weit über die Grenzen seines Faches hinaus bekannt wurde.

Weil das Stift baufällig war, mussten die Studierenden 1967 das alte Gebäude räumen, die Wohnungen wurden vorübergehend in zwei Gebäude des Göttinger Studentenwerkes ausgelagert. 1983 fand das Theologische Stift im früheren Universitäts-Hospital in der Geiststraße sein heutiges Domizil. Die evangelische Kirche förderte den Umbau damals mit mehr als einer halben Millionen Mark, die Klosterkammer Hannover gab weitere 300.000 Mark. Ein Förderverein unterstützt das Stift durch Spenden und Mitgliedsbeiträge.

Derzeit leben und studieren 35 Studentinnen und Studenten in der selbstverwalteten Hausgemeinschaft. Ein Drittel kommt aus dem Ausland, der Großteil studiert Theologie.

Die Bewohnerinnen und Bewohner bezahlen nur die Wohnnebenkosten sowie eine Rate für die täglichen gemeinsamen Mahlzeiten und die wöchentlichen Gemeinschaftsveranstaltungen. So kann das Stift Studierenden unterschiedlicher sozialer Herkunft günstigen Wohnraum zur Verfügung stellen. Im Gegenzug wird Engagement für die Hausgemeinschaft erwartet.

Und für sozial Benachteiligte in der Gesellschaft: Im vergangenen Wintersemester sammelten die Stift-Bewohner Geld für den Mittagstisch der katholischen Göttinger Gemeinde St. Michael - eine warme Mahlzeit müsse für alle Menschen in der Stadt eine Selbstverständlichkeit sein, hieß es. Im laufenden Semester, berichtet Stiftsinspektor Heiko Wojtkowiak, werde für die neue Kinder-Palliativstation in der Uni-Klinik gesammelt.

Am Wochenende soll aber erst mal gefeiert werden. Mit einem Festakt, einem Ball und einem Gottesdienst am Sonntag, bei dem der hannoversche Landesbischof Ralf Meister predigt. Für Sonnabend ist ein "Tag des offenen Stifts" angekündigt. Bei Kaffee und Kuchen wollen frühere und jetzige Bewohner sowie die Gäste "in Geschichten schwelgen." Es gebe für den Plausch bereits mehr als hundert Anmeldungen von Ehemaligen, verrät Stiftungsinspektor Wojtkowiak. Einige von ihnen wohnten in den 1950er Jahren im Stift.

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