Startseite Archiv Tagesthema vom 14. Februar 2023

„IN WAVES #womenincovid“ Ausstellung in Bremerhaven eröffnet

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Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Leben von Frauen thematisiert eine Freiluft-Ausstellung mit großformatigen Fotos, die noch bis zum 12. März in der Kulturkirche Bremerhaven gezeigt werden. Für das Projekt „IN WAVES #womenincovid“ haben 24 Fotografinnen aus Berlin Frauen, darunter etwa alleinerziehende Mütter, Fabrikarbeiterinnen, Sexarbeiterinnen, Hebammen, Seniorinnen und junge Ärztinnen mit der Kamera begleitet.

Landesfrauenpastorin Susanne Paul und Maidje Meergans, eine der beteiligten Künstlerinnen, sprechen über die Spuren, die die Pandemie bei Frauen hinterlassen haben.

Frau Meergans, für das „Projekt „IN WAVES #womenincovid“ haben Sie sich gemeinsam mit 23 weiteren Fotografinnen mit dem Thema Frauen und Covid-19 auseinandergesetzt und diese in unterschiedlichsten Lebenswelten begleitet. Was hat die Corona-Pandemie mit ihnen gemacht? Welche Eindrücke haben Sie mitgenommen?

Zu Beginn des Projekts "IN WAVES #womenincovid" haben wir uns die Aufgabe gestellt, Geschichten zur Pandemie und die damit einhergehenden Veränderungen in allen Bereichen des Lebens aufzuzeigen. Für mich persönlich war die Resonanz auf unser Ausstellungsprojekt einer der stärksten Eindrücke seit Beginn der Pandemie. Das große Interesse der Besucher und Besucherinnen und die Gespräche, die wir bis heute darüberführen, haben mich sehr berührt.

Uns ist es gelungen, mit der Diversität an Perspektiven auch eine Vielzahl von persönlichen Bezügen bei den Betrachtenden herzustellen und wir freuen uns, dass dieses Interesse bis heute anhält. Die Pandemie hat mir aufgezeigt, wie wichtig es ist, ein Teil eines Netzwerks wie diesem zu sein, bei dem sich Fotografinnen beruflich als auch persönlich unterstützen und fördern.

Sie selbst haben ein im Zusammenhang mit Corona besonders brisantes Thema in den Fokus gestellt: Den Alltag von Ärztinnen. Mit welcher Belastung mussten junge Ärztinnen klarkommen?

Durch persönliche Kontakte hatte ich die wunderbare Möglichkeit drei junge Ärztinnen zu fotografieren, die im Jahr 2020 in den Beruf eingestiegen sind. Die drei arbeiten in sehr unterschiedlichen Bereichen, somit ist es gelungen, die unterschiedlichen Realitäten ihres Alltags zu dokumentieren.

Natürlich setzt gerade dieser Berufsstand von vornherein eine große Strapazierfähigkeit voraus, dennoch war es auch für mich besonders, die jungen Ärztinnen zu begleiten und ihre Geschichten zu hören. Zum einen habe ich Kim fotografiert, die nach ihrem Studium 2020 bei einer Drogen- und Suchtberatung als Ärztin angefangen hat. Bei diesem Job hatte sie mit von der Pandemie besonders stark betroffenen, zum Teil wohnungslosen und suchtkranken Menschen gearbeitet und dabei hautnah erlebt, wie es diesen Menschen damit ergangen ist.

Eine andere Ärztin, die ich fotografieren durfte, hat nach ihrem Studium in der Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Christian Drosten an der Entwicklung der ersten Covid-Tests in der Berliner Charité gearbeitet. Für sie war es eine große Besonderheit in der sonst eher langatmigen Forschung zu so schnellen Ergebnissen zu gelangen.

Die dritte Ärztin wiederum begann 2020 als Assistenzärztin in der orthopädischen Chirurgie, und war zu Beginn der Pandemie mit der Streichung aller Operationen konfrontiert.  Sie musste kurzfristigen in anderen Bereichen des Krankenhauses unterstützen und einspringen.

Frau Paul, erste Untersuchungen lassen es bereits vermuten: Durch die Pandemie mussten weitaus mehr Frauen finanzielle Einbußen verkraften, haben ihren Job verloren oder mussten sich mit unbezahlter Sorgearbeit arrangieren. Kurzum - Corona hat die gesellschaftlichen Ungleichheiten einmal mehr verstärkt. Fühlen sich die Frauen heute, nach der Krise, wieder auf den Stand der fünfziger Jahre zurückversetzt?

Fünfziger Jahre wären vielleicht zu weit gegriffen. Aber die Gefahr der „Retraditionalisierung“ von der Jutta Allmendinger während der Pandemie sprach, ist immer noch greifbar. Die Zahl der wissenschaftlichen Veröffentlichungen von Frauen ist während Corona deutlich zurückgegangen. Hier den Anschluss wiederzufinden, wird Jahre dauern. Frauen wurde gezeigt, wie wenig sie und ihre Arbeit zählen. War Homeoffice möglich, ist selbstverständlich davon ausgegangen worden, dass dann auch die Kinderbetreuung möglich ist. Und viele Frauen saßen in dieser Zeit am Küchentisch mit Laptop und ihren Kindern, während die Männer sich zur Arbeit ins Schlafzimmer oder gar ins eigene Arbeitszimmer zurückzogen. Staat und Gesellschaft haben den Frauen sehr deutlich gezeigt, wie sehr sie und ihre Care-Arbeit nötig sind und wie wenig diese gleichzeitig geachtet wird.

Bedrohlich ist ja auch, dass die Fallzahlen in der häuslichen Gewalt deutlich gestiegen sind und mit einer nicht unerheblichen Dunkelziffer zu rechnen ist. Hier bedarf es noch einer großen gesellschaftlichen und politischen Anstrengung, dieses Thema aus der „privaten“ Ecke und auch die Männer in die Mitverantwortung zu holen.

Am 8. März feiert der Internationale Frauenkampftag die Rechte, die sich Frauen erkämpft haben, erinnert aber auch an Ungerechtigkeit. Die Ausstellung in Bremerhaven passt also in die Zeit. Wo erhalten betroffene Frauen heute Hilfe, Unterstützung oder ein offenes Ohr für ihre Sorgen?

Hilfe und Unterstützung gibt es an vielen Stellen. Beratungsstellen, die Angebote von Verbänden, Vereinen und Kirchen, dezidierte Frauenberatungsstellen sind wichtige Ansprechpartnerinnen. Genauso wichtig finde ich aber auch, dass das Thema Geschlechtergerechtigkeit politisch nicht aus dem Blick gerät. Corona hat gezeigt: Soweit, wie wir dachten, sind wir noch lange nicht und es gibt noch viel zu tun, bis die Care-Arbeit als wichtige Arbeit für alle Menschen anerkannt, bezahlt und geachtet wird.

Die 90 Meter lange Plakatwand zeigt Bilder, die nachdenklich stimmen und Geschichten, die mehr erklären als jede Statistik. Wie wichtig ist es Ihnen, die Ausstellung auch nach Hannover zu holen?

Es wäre wunderbar, wenn diese Ausstellung auch nach Hannover käme. Noch haben wir keine Kooperationspartner*innen gefunden, aber wir geben die Suche nicht auf!

Tanja Niestroj / EMA

Maidje Meergans

Maidje Meergans (*1991) ist Dokumentarfotografin aus Berlin. Nach dem Studium des Textildesigns an der Kunsthochschule Berlin Weißensee setzte sie ihre Ausbildung an der Ostkreuzschule für Fotografie fort, wo sie 2018 bei Prof. Linn Schroeder ihren Abschluss machte. Seit ihrem Abschluss konzentriert sich Maidje auf Porträts und aktuelle Themen.