Startseite Archiv Tagesthema vom 07. Dezember 2022

„Ursprünglicher kann sich das Weihnachtsgeschehen eigentlich nicht anfühlen“

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Mehr als 20 Grad zeigt das Thermometer in diesen Tagen in Ägypten, die Sonne scheint, Vögel zwitschern zwischen Palmen und grünem Blattwerk. Christian Plitzko ist einer von mehr als 100 Pastoren und Pastorinnen, die im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Europa und auf dem ganzen Globus im Auslandseinsatz sind. Der 44-Jährige betreut die Deutschsprachige Evangelische Gemeinde in Kairo und erlebt die Adventszeit in diesem Jahr erstmals an einem Ort, an dem andere Menschen Urlaub machen.

„Die Temperaturen wollten am Freitag nicht so recht zu dem mit Kunstschnee verzierten Weihnachtsbaum auf dem Hof passen, aber der Weihnachtsmarkt, den wir in der Gemeinde gefeiert haben, war der Schönste, den ich jemals erlebt habe“, erzählt der Pastor, der gemeinsam mit Ehefrau Tanja und den drei Kindern Hanna, Jonatan und Magdalena in Ägyptens Hauptstadt gezogen ist

Das Setting in der Millionenmetropole konnte besser nicht gelingen: Zur Gemeinde gehört die Deutsche Evangelische Oberschule, in der Plitzko jetzt als Pastor im Vorstand sitzt und gemeinsam mit einer muslimischen Kollegin Religionsunterricht gibt. Hier gehen die Plitzko-Kinder, 8, 11 und 13 Jahre alt, zur Schule, und Tanja Deuss-Plitzko hatte das große Glück, in der DEO eine Anstellung als Lehrerin zu bekommen. Sechs Jahre lang wird die Familie in Kairo bleiben.

Der Weihnachtsbasar, der in der Gemeinde unweit des Nils gefeiert wird, ist bis weit über die Grenzen Kairos hinaus bekannt. Mehr als 8.000 Menschen haben sich am Freitag zum Adventsmarkt auf dem festlich geschmückten Schulgelände getummelt. An den Ständen gab es die Klassiker, die auch auf deutschen Weihnachtsmärkten nicht fehlen dürfen: Glühwein und heißen Kakao, Raclette und süße Sachen. Vor allem ägyptische Kunsthandwerker haben sich das ganze Jahr auf das Event vorbereitet und an kleinen Ständen wunderschöne Holzarbeiten oder geflochtene Bezüge für kleine Hocker verkauft. Es gab Bio-Honig, Kerzen und frische Mangos – eben viele schöne Dinge, die Freude machen. Im Hintergrund hat man an allen Ecken „O du Fröhliche“, „Ihr Kinderlein kommet“ und Rolf Zuckowski mit seinen Weihnachtshits gehört. „Die Ägypter feiern für ihr Leben gern und nehmen jede Party mit – und so auch unseren Weihnachtsmarkt“, sagt Christian Plitzko.

Doch je näher Weihnachten rückt, desto mehr vermisst Christian Plitzko Eis und Schnee. Bei zweistelligen Temperaturen und Sonne wird es geradezu zur Herausforderung, Weihnachtsstimmung aufkommen zu lassen. Gleichzeitig, so der Pastor, fühle sich das Weihnachtsgeschehen eben wegen des Klimas und der Vegetation so ursprünglich an. „Außerdem ist das Volk hier so freundlich, zugewandt und herzlich, da ist eigentlich das ganze Jahr über ein wenig Weihnachten“, sagt der Familienvater mit einem Augenzwinkern. An Heiligabend wird er in der Deutschsprachigen Evangelischen Gemeinde in zwei Gottesdiensten die Weihnachtsbotschaft predigen. Nicht anders, als er es in der Kirchengemeinde Himmelpforten im Kirchenkreis Stade die vergangenen 13 Jahre auch gehalten hat. Auf dem Küchentisch der Plitzkos steht ein Adventskranz mit Bienenwachskerzen und jedes Kind hat einen selbstgemachten Adventskalender bekommen. Und natürlich üben die Töchter in der Gemeinde das Krippenspiel mit ein – diesmal unter ägyptischer Sonne. „Die Suche nach dem Vertrauten ist eben da“, erzählt Christian Plitzko.

Dennoch wird der Weihnachtsabend in Kairo anders: Charlotte, die in der Gemeinde ihr Freiwilliges Soziales Jahr absolviert, hat die Plitzkos um Obdach gebeten. Gemeinsam mit der Familie wird sie nach dem Gottesdienst zu Abend kochen. „Schlesische Weißwurst mit Biersoße wird es sicher nicht geben, vielleicht erfinden wir die Weihnachtstradition neu und essen Kartoffelsalat und Würstchen.“ Anschließend wird bei Kerzenlicht die Weihnachtsgeschichte gelesen und Hausmusik gemacht: Magdalena wird Blockflöte spielen, „und Hanna kratzt auf der Geige“, sagt der Pastor schmunzelnd. Um den Weihnachtsbaum im Haus der Deutschen hat sich die Haushälterin gekümmert. „Sie wollte uns überraschen und hat eine hellgrüne Zypresse im Wohnzimmer aufgestellt – aber damit kann man arbeiten“, sagt Christian Plitzko lachend. Am Heiligen Abend werden sie die Krippe mit dem Jesuskind aufbauen und sich zur Bescherung unter den etwas anderen, geschmückten Weihnachtsbaum setzen. „Und dann wird sich alles wie Zuhause anfühlen, da bin ich mir sicher“, sagt der Pastor.

Tanja Niestroj / EMA