Startseite Archiv Tagesthema vom 12. Juni 2022

Lieb haben reicht

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„Ihr müsst mich nicht verstehen – lieb haben reicht!“ Diese Postkarte hing lange bei uns am Kühlschrank. Manchmal denke ich, das könnte Gott mir sagen: nicht verstehen, nur lieb haben.

Weißt Du – sagt er dann – Du gibst Dir immer viel Mühe, die Dinge zu verstehen. Du magst es, wenn Dir jemand Zusammenhänge erklärt. Dir geht es gut, wenn Du auf Deine Fragen eine nachvollziehbare Antwort bekommst. Du bist sehr gut darin, Dir ein Bild von der Welt zu machen, in dem alles zusammenpasst. Du gibst den Dingen Namen, beschriftest sie und legst sie in Schubladen. Und wenn etwas nicht in Dein Bild passt, wird es notfalls passend gemacht. Die Vorstellung, dass alles auch ganz anders sein könnte, macht Dir Angst. Widersprüche machen Dich nervös. Mehrdeutiges bringt Dich durcheinander. Du willst es genau wissen. Und ich finde es faszinierend, zu welchen spannenden Gedanken Du fähig bist. Dein Verstand ist wunderbar – und ich muss es wissen, ich habe ihn schließlich erfunden.

Manchmal wünsche ich mir aber, Du würdest die Röntgenbrille ab und zu mal absetzen und mit einem anderen Blick auf die Wirklichkeit sehen. Ich bin Gott. Ich habe das Weltall erschaffen vom winzigsten Atom bis zur entferntesten Galaxie. Ich habe meinen Atem in diese Schöpfung gelegt. Ich verknüpfe belebte und unbelebte Materie auf millionenfache Weise im unendlichen Netzwerk des Lebens. Ich bin die Verbindung zwischen scheinbar getrennten Einzelnen, die Kraft, die lebendig macht. Ich bin die Quelle, aus der alles entspringt. Ich bin der Ort, an den alles heimkehrt. Das alles bin ich und noch so viel mehr. Hör auf, mich mit klugen Worten zu erklären. Versuche nicht, mich in Deine Bilder und Begriffe einzusperren. Erwarte nicht, dass Du mein Wesen und mein Handeln jemals vollständig begreifst. Du musst mich nicht verstehen, lieb haben reicht!

Und ich antworte: Gott, das möchte ich gerne versuchen. Dich einfach mal nicht erklären, sondern Dich Gott sein lassen – und selbst einfach nur Dein Geschöpf sein. Mit Dankbarkeit das Geschenk des Lebens mit allen Höhen und Tiefen annehmen und entdecken. Meine Gaben und Fähigkeiten mit anderen teilen und feiern. Fühlen, dass ich ein Teil Deiner großen und wunderbaren Schöpfung bin. Glauben, dass Du genau mich gewollt hast und jeden Tag Deine Hand nach mir ausstreckst. Darauf vertrauen, dass in allem Schönen und in allem Schweren Deine Liebe alles umfasst. Gott, das nehme ich mir vor: ich will Dich heute nicht verstehen – lieb haben reicht.

Amen.

Dorothee Beckermann

Der Text zur Andacht

Wie unerschöpflich ist doch der Reichtum Gottes, wie tief seine Weisheit und Erkenntnis!

Wie unergründlich sind seine Entscheidungen und wie unerforschlich seine Wege!

Wer kennt die Gedanken des Herrn? Wer ist sein Berater gewesen?

Wer hat ihm je etwas gegeben, sodass er es von ihm zurückfordern könnte?

Denn alles hat in ihm seinen Ursprung. Durch ihn besteht alles und in ihm hat alles sein Ziel.

Denn er regiert in Herrlichkeit für immer. Amen.

Römer 11, 33-36 (Basisbibel)

Dorothee Beckermann ist Diakonin für Konfi-Arbeit in der Region Linden-Limmer.