Startseite Archiv Tagesthema vom 27. Januar 2022

#WeRemember - zum 77. Jahrestag der Auschwitzbefreiung

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Am 27. Januar gedenken Menschen weltweit der Opfer des Nazi-Regimes - auch online, mit dem gemeinsamen Hashtag #WeRemember.

Das Gedenken hat in diesem Jahr schon eine Woche früher begonnen. Am 20. Januar strahlte das ZDF den viel beachteten Film "Die Wannseekonferenz" von Regisseur Matti Geschonnek aus. Er zeigt mit verstörender Nüchternheit, wie Verwaltungsbeamte der Nationalsozialisten bei Cognac und Schnittchen die Organisation des systematischen, millionenfachen Massenmordes an den Juden Europas diskutierten und beschlossen. Heute nun, am 27. Januar, dem 77. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz, wird weltweit der Opfer der Nationalisozialisten gedacht.

Landesbischof Ralf Meister hat aus diesem Anlass Vergleiche mit dem Holocaust unter anderem von Kritikern der Corona-Politik scharf kritisiert. "Was die Opfer des Holocaust erlitten haben, verbietet jeden Vergleich und jede Leugnung", sagte Meister. Mit Blick auf den Gedenktag rief er dazu auf, "gemeinsam wachsam und mutig Verschwörungsmythen entgegenzutreten und nicht gedankenlos radikalen Minderheiten das Heft des Handelns zu überlassen".

Es sei entsetzlich, dass sich heute Menschen in Deutschland einen gelben Stern mit der Aufschrift "Ungeimpft" anhefteten. Dass Fotomontagen vom Tor zum Konzentrationslager Auschwitz mit der Aufschrift "Impfen macht frei" verbreitet würden, als seien die Maßnahmen gegen die Pandemie einem Völkermord gleichzusetzen, sei abscheulich. "Das Vernichtungslager Auschwitz ist einer der schrecklichsten Orte der Menschheitsgeschichte. Dieser Ort bleibt eine fortdauernde Mahnung vor dem, was der Mensch dem Menschen antun kann."

Mit dem Hashtag "WeRemember" wird heute auch in den sozialen Medien der Opfer des Nationalsozialismus gedacht - der Jüdische Weltkongress hat die Erinnerungsaktion initiiert. Die Landeskirche hat deshalb alle Avatare und Profilbilder entsprechend geändert. Auch die Regionalbischöfin des Sprengels Hildesheim-Göttingen, Dr. Adelheid Ruck-Schröder, ruft dazu auf, sich daran zu beteiligen: "In einer komplex gewordenen Welt suchen viele Menschen scheinbare Sicherheit in Verschwörungsmythen und Fake News. Nur wer sich an den Schrecken von Auschwitz in seiner ungeheuerlichen Faktizität erinnert, sieht sofort, wie unerträglich alle Vergleiche von Pandemiemaßnahmen mit der systematischen Ermordung von mehr als sechs Millionen Juden und Jüdinnen in der Zeit des Nationalsozialismus sind."

An vielen Orten finden Gedenkveranstaltungen statt. Der Landesverband der Jüdischen Gemeinden in Niedersachsen organisiert eine zentrale Online-Veranstaltung mit Grußworten und musikalischer Untermalung durch Chor und Orchester der Jüdischen Gemeinde Hannover. Unter dem Motto „Ins Licht gerückt“ finden zahlreiche Veranstaltungen mit dem Ziel statt, für Vielfalt, Gewaltfreiheit und Menschenrechte einzutreten, so beispielsweise die Veranstaltung der Evangelisch-lutherischen Martin-Luther-Kirchengemeinde Nordstadt in Hildesheim mit Lichtinstallation, Workshop und Gesprächen.

"Für unseren gesellschaftlichen Frieden müssen wir auch heute Hass und Ausgrenzung entschlossen entgegentreten", sagt Felix Paul, Beauftragter für Friedensarbeit im Haus kirchlicher Dienste (HkD) der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers. Was es dafür braucht, bringt Dr. Ursula Rudnick, Beauftragte für Kirche und Judentum, auf den Punkt: "Mehr Taten als Worte".

Themenraum

Fürst: Schulen sollten häufiger Gedenkstätten besuchen

Der Vorsitzende des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen, Michael Fürst, plädiert dafür, dass möglichst viele Schülerinnen und Schüler eine Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus besuchen. „Das Entscheidende ist, sie so zu motivieren, dass sie von selbst da hin wollen“, sagte Fürst dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Um sich vorstellen zu können: Wie ist das damals gewesen, als Schüler in meinem Alter so wie Sophie Scholl und andere umgebracht wurden, nur weil sie die Freiheit haben wollten, etwas zu sagen?"

In Niedersachsen gebe es eine Vielzahl von ehemaligen Konzentrationslagern oder NS-Arbeitslagern, von Südniedersachsen bis ins Emsland, sagte Fürst. "Dort arbeiten Personen, die etwas davon verstehen, Geschichte gut zu vermitteln." Niemand müsse dafür weit reisen, und nicht alle müssten nach Bergen-Bergen fahren. Hilfreich und notwendig sei es, solche Angebote in den Lehrplänen der Schulen zu verankern, damit sie auch wirklich stattfänden, sagte Fürst. Skeptisch zeigte er sich jedoch gegenüber einer regelrechten Besuchspflicht. Dies werde bei den Jugendlichen eher Widerstände hervorrufen.

Fürst wies darauf hin, dass es immer weniger Holocaust-Überlebende gebe, die aus eigener Anschauung von der Verfolgung durch die Nationalsozialisten erzählen könnten. Diese Möglichkeit werde es irgendwann nicht mehr geben. "Deshalb machen die Stellen, die damit befasst sind, Filme über diese Zeitzeugen", sagte Fürst. "Das ist wertvoll und ganz wichtig." An den Gedenkstätten müsse allerdings genügend Personal zur Verfügung stehen, um den Besucherinnen und Besuchern solche Zeitdokumente nahezubringen. Auch für die Schulfahrten müsse das Land das nötige Geld bereitstellen.

epd

Holocaust-Gedenktag

Der Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus wurde 1996 vom damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog proklamiert und auf den 27. Januar festgelegt. An diesem Tag war 1945 das Vernichtungslager Auschwitz im heutigen Polen von sowjetischen Truppen befreit worden.

Die Vereinten Nationen riefen 2005 den 27. Januar als "Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust" aus. Seit 2006 wird er weltweit an zahlreichen Orten begangen. Der Bundestag kommt anlässlich des Gedenktages alljährlich zu einem Staatsakt zusammen, an dem alle Spitzen der Verfassungsorgane teilnehmen.

Der Begriff "Holocaust" leitet sich aus dem Griechischen ab und bedeutet "Brandopfer". Er wird heute vor allem für den systematischen Völkermord an den europäischen Juden im Zweiten Weltkrieg durch die Nationalsozialisten verwendet. Juden sprechen oft auch von der "Shoah" - so lautet der hebräische Begriff für den Holocaust.

Bis zum Kriegsende wurden rund sechs Millionen Juden ermordet. In Auschwitz starben rund 1,1 Millionen Menschen. Nach Angaben des Jüdischen Weltkongresses gibt es weltweit heute noch mehrere Hunderttausend Überlebende des Holocaust.

epd