Es war 1974 bei einer kirchlichen Freizeit, als sich der Diakon in Ausbildung, Siegfried G., zu Lisa Meyer ins Bett legte. Sie war damals elf Jahre alt, sagt Meyer heute. Mit einer Pressekonferenz will sie öffentlich machen, wie G. sie in den Jahren 1973 und 74 teils schwer missbraucht hat. Und sie will die Aufarbeitung voranbringen, in der Kirche, in der aus ihrer Sicht noch viel passieren muss. Gemeinsam mit der Evangelischen Landeskirche Hannovers, dem örtlichen Kirchenkreis und der Kirchengemeinde hat sie dazu am Montag (11. Oktober) zu einer Pressekonferenz eingeladen - in den Ortsteil Oesede in Georgsmarienhütte, dorthin, wo G. damals lebte und tätig war.
Um Anonymität zu wahren, benutzt Lisa Meyer ein Pseudonym. Ihr Statement wird in einem Video eingespielt, in dem sie unkenntlich bleibt. „Es dauert lange, bis man die Kraft findet, seine Stimme zu erheben“, sagt die Mittfünfzigerin. Sie schildert, wie sich Siegfried G. 1974 im Bett hinter sie und den Arm um sie legte. „Das war wie so eine Schraubzwinge.“ Dann habe er schweren sexuellen Missbrauch an ihr begangen. „Nach heutigem Straftatbestand ist das, was er gemacht hat, als Vergewaltigung einzuordnen.“ Noch am Abend habe sie sich unter Tränen einer Betreuerin anvertraut. „Sie hat mir nicht geglaubt, mich der Lüge bezichtigt und mir Ärger angedroht, sollte ich meine Vorwürfe nochmals wiederholen“, sagt Lisa Meyer. „Ich habe das danach niemandem mehr erzählt.“
Für Lisa Meyer markiert dies die erste Vertuschung von mehreren. Infolge des Missbrauchs erkrankte sie als Erwachsene an Depressionen und einer posttraumatischen Belastungsstörung, durchlief Therapien. Im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) nennt sie den späteren Umgang mit ihrem Fall seitens der Kirche eine „Salamitaktik“. Prävention von Missbrauch sei wichtig, doch der Kirche fehlten bis heute transparente Strukturen, die es Betroffenen erleichtern, sich zu melden.