Startseite Archiv Tagesthema vom 24. Juli 2021

Siehst du mich?

Andacht zum 8. Sonntag nach Trinitatis

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Es gehört zu den wunderbaren menschlichen Fähigkeiten, dass wir einander in die Augen sehen können. Die Augen sind die Fenster zur Seele des Menschen. Denn wenn wir uns in die Augen sehen, dann nehmen wir einander wahr. Und manche Lebensbeziehung hat mit einem ersten Augen-Blick angefangen, vielleicht sogar als Liebe auf den ersten Blick.

In den letzten langen Monaten war es oft schwierig, sich direkt in die Augen zu sehen. Vor allem bei den vielen Videokonferenzen schaut man zwar in die Gesichter der anderen, weiß aber nicht, ob man sich wirklich gerade anschaut oder doch aneinander vorbeisieht. 

Wenn wir uns mit Masken im Gesicht begegnen, sind es die Augen, die ganz unmittelbar und direkt einen Kontakt zu den anderen herstellen. Gerade in dieser Zeit haben wir wahrnehmen können, wie direkt und vielfältig wir mit den Augen untereinander in Kontakt treten können. 

Wenn wir uns ansehen, schenken wir uns Ansehen. Wie wichtig das ist, spüren Menschen, wenn sie übersehen werden oder direkt an ihnen vorbeigeschaut wird. 

Seit den ersten Augenblicken unseres Lebens erfahren wir das liebevolle Anschauen durch elterliche Zuwendung. Dieses Angesehenwerden gibt Sicherheit und Zuversicht für das ganze Leben.

Die Bibel erzählt von Hagar, einer verzweifelten Frau, die allein in die Wüste geflohen ist. Und genau in dieser Situation von Verlassenheit und Verzweiflung erfährt sie Gottes Nähe. Sie sagt darum voller Dankbarkeit zu Gott: „Du bist ein Gott, der mich anschaut.“ (1. Mose 16, Vers 13)

Wie wertvoll ist das für unser Leben, wenn wir glauben können, dass Gott uns nicht übersieht, dass wir ihm nicht egal sind! Selbst in größter Not oder tiefster Einsamkeit sieht Gott den Menschen mit Liebe an. „Du bist ein Gott, der mich anschaut.“ Dass Gott uns sieht, gibt unserem Leben Würde und Achtung, auch dann, wenn es in unserem Leben gerade nicht danach aussieht. 

Wo wir selbst anderen diesen Blick der Zuwendung und Achtung nicht entziehen, nehmen wir Anteil an Gottes Sichtweise auf den Menschen. Die Not und Hilfsbedürftigkeit, die Einsamkeit und die Traurigkeit der anderen zu sehen ist immer auch der Anfang für Veränderung.

Ich wünsche uns, dass wir sehen und gesehen werden, so wie Gott uns sieht.

Amen.

Regionalbischof Detlef Klahr

Der Bibeltext

"Und sie hieß den Namen des HERRN, der mit ihr redete: Du Gott siehst mich. Denn sie sprach: Gewiß habe ich hier gesehen den, der mich hernach angesehen hat."

1. Mose 16, Vers 13