
Herr Stahlhut, der Afghanistan-Einsatz ist vorbei, die deutschen Soldaten sind zurückgekehrt. Wie nehmen Sie die Stimmung in der Truppe wahr nach diesem doch recht plötzlichen Ende?
Stahlhut: „So wie wir in den Einsatz hineingestolpert sind, so sind wir jetzt auch wieder hinausgestolpert – so hat es ein Soldat in der ,Welt am Sonntag‘ gesagt und das trifft es – denke ich – gut.. Eigentlich war man mit dem Einsatz noch nicht am Ende, aber ohne die amerikanischen Kräfte ist der Einsatz nicht fortführbar.“
Also ein bitterer Nachgeschmack?
Stahlhut: „Ja. Auch dadurch, dass weder die Kanzlerin, noch die Verteidigungsministerin oder der Außenminister am Flughafen waren, um die letzten Rückkehrenden zu empfangen. Das zeigt dieses „freundliche Desinteresse“ von Politik und Gesellschaft, wie es Bundespräsident Horst Köhler seiner Zeit formuliert hat. Und das ist traurig: Denn man muss sich immer wieder vergegenwärtigen, dass die Einsätze nicht ungefährlich sind. Die Soldatinnen und Soldaten sind bereit, im Notfall ihr Leben zu lassen. Als ich selbst in Afghanistan war, stand mir immer ein Soldat zur Seite, der für meine Unversehrtheit zuständig war. Die Soldatinnen und Soldaten müssen wissen, wofür sie das tun und dass Politik und Gesellschaft hinter ihnen stehen. Wir bräuchten eine viel breitere Debatte über die Einsätze, wofür wir die Menschen losschicken. Es hat mich bewegt zu sehen, wie sehr um solche Sinn-Fragen innerhalb der Bundeswehr selbst gerungen wird.“
Nun sind sie aus einem Krisengebiet zurück, es sieht aber nicht danach aus, dass in Afghanistan bald Frieden herrschen wird. Die Taliban rücken weiter vor, Nicht-Regierungsorganisationen fliegen ihre ausländischen Mitarbeitenden aus (s. Marginalspalte). Wie fällt für Sie die Bilanz des Einsatzes aus?
Stahlhut: „Die Soldaten und Soldatinnen haben ihre Aufgabe erfüllt. Sie haben die Konfliktparteien auseinandergehalten und Politik und Diplomatie Zeit gegeben, zu verhandeln – was aber nicht geschehen ist. Anfangs waren die Bundeswehr und ihre Partner hochwillkommen: sie sorgten für das Ende des islamistischen Terrors der Taliban und der Scharia, unter anderem die Steinigungen der Frauen. Nach ein paar Jahren aber, als politisch nichts weiter passierte, kippte die Stimmung.“
Was ist schiefgelaufen?
Stahlhut: „Ich denke, man hat auf westlicher Seite unterschätzt, wie viel Zeit und Ressourcen der Einsatz brauchen würde. Sicher, man stand unter dem Eindruck des 11. September, einer einmaligen Situation – und die Ziele waren sicherlich lobenswert: Schulen, Bildung für Mädchen, Demokratisierung… aber es wurde zu wenig mit den Leuten kommuniziert und gefragt, was sie eigentlich brauchen. Zu viel top-down und mitgebrachte Werte, statt Dialog.“