Als Ulrike Denecke heiratete, hatte sie ihr Theologiestudium bereits beendet. Auch mit dem Vikariat war sie fertig. Jetzt wollte sie Pastorin werden. Voller Vorfreude wandte sie sich mit der Frage nach offenen Stellen an das Personalamt der Landeskirche – und dort hieß es, sie solle ihren Berufsweg nun lieber beenden. Das sei besser für die Ehe.
1967 war das. Wenn Ulrike Denecke heute erzählt, was sie damals erlebte, dann weiß sie noch genau, was ihr durch Kopf und Herz ging. „Ich ging raus, setzte mich vor die Tür und weinte. Nur zu Hause und Hausfrau zu sein, bloß weil ich eine Frau bin: Das wollte ich nicht.“
Ulrike Denecke ist 82 Jahre alt und lebt mit ihrem Mann in einem Reihenhaus mit Garten in der Nähe von Hannover. Ihr Mann ist pensionierter Pastor. Genau wie sie. Denn Pastorin war sie wirklich noch geworden, der Absage des Personalchefs vor mehr als 50 Jahren zum Trotz.
Beendet hat Ulrike Denecke ihren Berufsweg bei der Landeskirche Hannovers als Leiterin des Frauenwerks. Dass dieser Weg für die damalige Zeit etwas Besonderes war, hat die Mutter von zwei Kindern allerdings nie so richtig wahrhaben wollen. Zu klar ist für sie, sich als Frau dieselben Ideen und Vorstellungen von einem Leben machen zu können wie ein Mann.
„Ich habe in Göttingen, Tübingen, Basel und Berlin studiert, das fühlte sich für mich ganz unspektakulär und selbstverständlich an“, erzählt sie. „Dass ich danach eventuell nicht als Pastorin würde arbeiten können, darüber habe ich mir gar keine Gedanken gemacht.“ Doch da war die Tochter einer aus Pommern mit ihren drei Kindern geflüchteten Frau mit Abitur weiter als die Gesellschaft es war. Und fortschrittlicher als das Pfarrdienstgesetz war die Vikarin allemal.
Erst seit 1964 ordiniert die Landeskirche Hannovers Frauen ins Pfarramt. Bis dahin wurden sie lediglich eingesegnet. „Frauen haben zwar studiert, sollten aber nicht gleichgestellt werden“, sagt Dr. Heike Köhler, die als Referentin im Landeskirchenamt im Jahr 2014 die Geschichte der Frauen in der Landeskirche aufarbeitete. „Sie blieben ein Leben lang Vikarin.“ Völlig gleichgestellt wurden Frauen und Männer sogar erst mit dem Pfarrdienstgesetz von 1978, ist in dem Buch „Angekommen! Der lange Weg der Frauen ins Pfarramt“ zu lesen.
Neben Fakten haben etliche Protagonistinnen Platz in der Broschüre gefunden, die darin von ihrem individuellen, aber immer langen Weg ins Pfarramt berichten. Auch Ulrike Denecke. Von der verbalen Ohrfeige zu Beginn hat sich die junge Frau nämlich nicht lange von ihrem Berufswunsch abhalten lassen. Und der Mahner vom Anfang blieb glücklicherweise eine Ausnahme: Schon kurze Zeit später fand sich nämlich ein Mann, der die Theologin sehr wohl anstellte, und zwar als Prädikantin in der Gemeindearbeit. Auch in den Jahren danach fanden sich immer wieder Menschen in der Landeskirche, die ihre Wahl von Beruf und Familie unterstützten – sogar der Mahner vom Anfang.