Startseite Archiv Tagesthema vom 03. Juni 2021

Chancen für Gemeinden im Digitalen

Eine Diakonin sendet einen "Flüsterfragen"-Podcast zu Fragen rund um den Glauben. Eine andere entdeckt mit ihrer Dalmatiner-Dame die Gemeinde und zeigt dies auf Instagram. Dutzende Gemeinden streamen ihre Gottesdienste live ins Internet. Die digitalen Möglichkeiten sind vielfältig, wollen aber analoge Angebote nicht vergessen machen. Ein Streifzug durch die digitale Kirche.

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„Es überwältigt mich immer wieder, was mir Menschen alles anvertrauen und erzählen mögen, was sie bewegt in ihrem Leben, obwohl wir uns ja gar nicht persönlich kennen.“ Ina Jäckel betet alle 14 Tage für Menschen, von denen sie die meisten nicht kennt. Die Pastorin aus Loga in Ostfriesland hat zu Beginn der Pandemie einen Instagram-Kanal gestartet.

Neben Eindrücken aus ihrem Alltag ist dort das Projekt „Hoffnungsleuchten“ zu finden: Wer immer möchte, kann ihr Gebetsanliegen schicken. „Ich gehe in die Kirche, zünde Kerzen an und bete wirklich für die Menschen, die sich mir anvertraut haben. Erst dann mache ich ein kleines Video, das ich auf Instagram teile.“ Viele seien dabei, die noch nie gebetet hätten oder noch nie jemanden für sich haben beten lassen. „Dass sie mir nun schreiben und sagen: ,Es ist so schön, dass das jemand für mich tut‘, das ist sehr berührend.“ 

Mittlerweile folgen ihr fast 1.600 Menschen auf dem Instagram-Kanal @dingens.von.kirchen. Der kleinste Teil davon seien Leute aus ihrem realen Umfeld. „Aus meinen beiden Gemeinden sind es vielleicht um die 100 Menschen - wobei das ja auch schwierig ist zu schätzen, weil nicht immer der echte Name dabei steht. Ich finde es unglaublich und schön, wie viele Glaubensinhalte sich in diesen Kanälen befinden – auf den ersten Blick mag man ja denken, das sei alles oberflächlich – ist es aber nicht.“

Offiziell ist Ina Jäckel Pastorin für zwei Gemeinden, faktisch ist ein drittes Feld dazugekommen. „Es ist natürlich keine dritte Gemeinde in diesem Sinn, aber auch dort bin ich als Pastorin und Seelsorgerin unterwegs, ich erzähle von Gott, es gibt Begegnung und alles, was Kirche ausmacht.“ Anfangs habe sie Kontakt zu ihren Gemeinden halten wollen. Daraus entstand die Idee, auch zeigen zu wollen, wie das Leben mit zwei berufstätigen Erwachsenen und vier Kindern ist, „ein bisschen mit den Klischees eines Pfarramts aufräumen“. Dazu ein bisschen was über das Kirchenjahr und die Hintergründe der Feste erzählen, aber auch aktuelle Themen ansprechen und zeigen, wie man sich als aufgeklärte, feministische Christin im Glauben wohlfühlen kann. Quasi ein Realitätscheck. „Auf Instagram sind Menschen unterwegs. Und ich will da sein, wo Menschen sind, und von dem erzählen, was ich glaube, liebe und hoffe.“

Im Wesentlichen sind die Rückmeldungen auf Ihre Arbeit positiv, sagt Ina Jäckel. „Aber es gibt auch kritische Kommentare - das ist meist die Schiene, was ich als Frau denn in der Kirche mache. Wenn es ehrliche Anfragen sind, diskutiere ich auch gern, aber bei reinen Beleidigungen ohne jede Chance zum Austausch blockiere ich Follower.“

Für sie sollen digitale Formen und analoge möglichst nicht in Konkurrenz zueinanderstehen, sondern gleichberechtigt nebeneinander. „Auf diesen Wegen erreicht man nochmal andere Menschen, das ist doch klasse!“

Die Pastoren Max Bode und Chris Schlicht haben bewusst um die Sendung in eine Gemeinde gebeten, in der man viel Neues ausprobieren kann. "Wir strecken quasi digital die Hand aus, vom ersten Tag vor gut einem Jahr an." Viele ihrer Follower kommen aus der Gemeinde, viele aber auch aus anderen Regionen Deutschlands oder anderen Teilen der Welt. Dadurch, dass sie ihren Alltag zeigen - vom Gassi gehen mit Hündin Maya bis zur Planung des nächsten Gottesdienstes - wollen sie Barrieren abbauen. "Manchmal hat man ja vielleicht ein bisschen Hemmungen, jemanden anzusprechen - wir wollen zeigen, dass wir so lieb und verrückt sind, wie alle anderen auch."

Ähnlich sehen es auch Ellen und Steffi Radtke, das lesbische Pastorinnenpaar aus Eime bei Hildesheim, das seit etwa einem Jahr wöchentlich über das Gemeindeleben, aber auch ihren langen Weg zur ersehnten Familie mit der inzwischen geborenen Tochter berichtet. Mehr als 23.000 Menschen haben ihren YouTube-Kanal abonniert, rund 17.000 folgen ihnen auf Instagram. Jedes Mal, wenn sie ein Video veröffentlichen, folgen im Nachgang viele Seelsorgeanfragen online sowie viele Kommentare und Nachrichten, die sie durchsehen. „Es kommt ganz viel Dankbarkeit“, sagte Ellen Radtke der Landeskirche schon kurz nach dem Start des Kanals. „Wir machen das vor allem für queere Menschen, die kein gerades Vaterunser beten können. Und da kommen tatsächlich sehr viele sehr positive Rückmeldungen. Zwischendurch habe ich beim Lesen der Kommentare einfach geweint vor Freude.“

„Für uns hat Corona definitiv viel Gutes gebracht“, erzählt Reni Kruckemeyer-Zettel, Pastorin in Burgwedel-Wettmar bei Hannover. „Viel Aufbruchsgeist, Mut und Zeit, Neues auszuprobieren. Wir haben tägliche Video-Andachten aufgenommen, Jugendliche haben Mittagsandachten gestaltet – da waren gleich ganz viele Leute, auch aus der katholischen Gemeinde, die Lust hatten, sich zu beteiligen – das war echt toll.“ Die Andachten laufen weiterhin wöchentlich. Alles sei ,learning by doing‘ gewesen, ein Ausprobieren und mit YouTube-Tutorials ein paar Grundlagen lernen.

„Auch vieles andere ist ins Digitale gewechselt, Konfi-Treffen und Zoom-Gottesdienste, Whats-App-Rallies … Wie viel sich nach Corona erhalten wird, wird sich zeigen – aber Digitales und Kirche gehen wunderbar zusammen!“ Für sie ist wichtig, diejenigen nicht zu vergessen, die nicht online unterwegs sein mögen oder können. „Das haben wir damit aufgefangen, dass wir Aktionen gemacht haben, wie Briefe schreiben oder Bilder malen für Senioren und Seniorinnen“, erzählt Kruckemeyer-Zettel. 

„Es wird immer eine Mischung zwischen Analogem und Digitalem brauchen. Nächstes Projekt ist, die Bemühungen in einer Technik-AG zu bündeln, eine feste Gruppe aus Jugendlichen und Erwachsenen zu installieren. Unser Ziel ist dabei gar nicht, 2.000 Abonnenten auf YouTube zu erreichen oder sowas – es ist wichtiger, dass die 300, die wir erreichen, gern erreicht werden und dabei sind.“ 

Christine Warnecke/Themenraum