Marwede: „Die Gemeinden im ehemaligen Ostdeutschland sind von der Personenzahl oft kleiner, die Gebiete aber größer. Sieben Predigtorte schrecken hier keinen. Der Kirchenkreis Meiningen zählt eher zum volkskirchlich geprägten Süden der Evangelischen Kirche Mitteldeutschland. Doch es ist anders, als ich es aus Südniedersachsen kannte. In Meiningen selbst liegt der Anteil der Mitglieder bei etwa 22 Prozent, schwankt im gesamten Kirchenkreis aber zwischen 13 und bis zu 70 Prozent. Das heißt: Abgesehen von einer kleinen Gruppe Katholiken, Freikirchlern und Muslimen gehört die Mehrheit der Bevölkerung keiner Religionsgemeinschaft an#. Was nicht gleichbedeutend damit ist, dass sie religiös uninteressiert sind.
So ist der Gedanke der ,missio‘, die Frage, wie Gottes Wort unter die Leute zu bringen ist, hier stärker. Ich kann nicht davon ausgehen, dass religiöse Begriffe und kirchliche Abläufe bekannt sind. Neulich fragte mich jemand: ,Kann ich eigentlich als Atheist in den Gottesdienst gehen?‘ Ich sagte: ja, natürlich! Aber dann ist es gut, wenn ihn jemand durch den Gottesdienst begleitet.
Es ist wichtig, eine angemessene Sprache zu finden, hier habe ich viel gelernt. Bei der Wiedereinweihung unseres Volkshauses zum Beispiel, wollte der Bürgermeister gern in irgendeiner Form auch die Kirche dabei haben. Im Talar zu predigen, wäre mir aber übergriffig erschienen, damit hätten Viele nichts anfangen können. Also habe ich in zivil ein geistliches Grußwort zum Segen gesprochen und gesagt: Der Segen braucht aber eine Antwort, die Zustimmung und das ,Okay‘ der Anwesenden – und das ist ein ,Amen‘. Es war ein tolles Gefühl, als dann alle wirklich laut ,Amen‘ sagten. Die Offenheit ist da, wir dürfen uns nicht hinter Kirchenmauern verstecken.“
Grimmsmann: „Ich denke, in Sachen Mission können wir ganz viel von den östlichen Gemeinden lernen – die haben viel Erfahrung damit, wie man in einer Minderheitssituation Menschen von Gott erzählt. Die sind uns da eine ganze Ecke voraus.
Ich denke auch, dass wir ganz viel durch persönliche Begegnung erreichen können. Deswegen bin ich auch ein solcher Fan kirchlicher Partnerschaftsgemeinden: Kirche sucht doch das Gemeinsame. Wie gut wäre es, wenn diese Partnerschaften erneuert würden, es Jugendaustausch gäbe! Darin läge ein großer Schatz.“
Christine Warnecke