Das ehemalige Salz-Bergwerk Asse bei Wolfenbuettel. Archivbild: Klaus G. Kohn/epd-bild

"Wichtige Etappe auf der Suche nach einem Endlager"

Nachricht 28. September 2020

90 Gebiete kommen für ein Endlager infrage/Der Salzstock Gorleben scheidet aus dem Suchverfahren aus

Das ehemalige Salz-Bergwerk Asse bei Wolfenbuettel. Archivbild: Klaus G. Kohn/epd-bild

Die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) hat am Montag erstmals die Gebiete benannt, die für den Bau eines Endlagers für hochradioaktiven Abfall infrage kommen könnten. Es handele sich um 90 Teilgebiete auf insgesamt rund 240.000 Quadratkilometern und damit 54 Prozent der Fläche Deutschlands, sagte BGE-Geschäftsführer Stefan Studt in Berlin. 74 dieser Teilgebiete lägen in Steinsalzformationen, neun in Tongestein und sieben in kristallinem Gestein, also Granit. Das Endlager soll in mindestens 300 Metern Tiefe gebaut werden und von einer mindestens 100 Meter dicken Gesteinsschicht umschlossen sein.

Ausgeschlossen hat die BGE hingegen den Salzstock Gorleben, der in den vergangenen Jahrzehnten bereits umfassend auf seine Eignung als mögliches Endlager untersucht wurde. Co-Geschäftsführer Steffen Kanitz sagte, Gorleben erfülle zwar die geologischen Mindestanforderungen, sei aber bei den sogenannten Abwägungskriterien durchgefallen. Unter anderem gebe es kein intaktes Deckgebirge über dem Salzstock.

Landesbischof Ralf Meister zum Zwischenbericht

Teilgebiete liegen in fast allen Bundesländern

"Die Chance, in Deutschland den Standort für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle zu finden, der Sicherheit für eine Million Jahre bietet, steht sehr gut", sagte Studt. "Das zeigen die 90 Teilgebiete überall im Land." Einer von der BGE vorgestellten Landkarte zufolge liegen die Teilgebiete in allen Bundesländern außer dem Saarland, also auch in Bayern und Sachsen. Die bayerische und die sächsische Landesregierung hatten zuvor erklärt, ihre Bundesländer seien für ein Endlager nicht geeignet.

Im Tongestein hat die BGE neun Teilgebiete mit einer Fläche von knapp 130.000 Quadratkilometern ermittelt. Im Wirtsgestein Steinsalz sind insgesamt 74 Teilgebiete mit einer Fläche von etwas mehr als 30.000 Quadratkilometern ausgewiesen. Davon befinden sich 60 Teilgebiete in Salzstöcken und 14 Teilgebiete in flachen Steinsalzformationen. Sieben Teilgebiete mit einer Fläche von knapp 81.000 Quadratkilometern befinden sich in kristallinem Wirtsgestein.

"An der Größe der Teilgebiete lässt sich leicht erkennen, dass wir von einer Vorentscheidung für einen Standort noch ein gutes Stück entfernt sind", sagte Kanitz: "Ein Teilgebiet ist noch kein Endlager-Standort."

Der nun vorgelegte Zwischenbericht Teilgebiete sei vielmehr die Grundlage für die erste Phase der formalen Öffentlichkeitsbeteiligung, hieß es - "zu einem Zeitpunkt, zu dem noch keine Fakten geschaffen sind". Damit erhielten interessierte Bürger die Möglichkeit, auf die Ergebnisse des weiteren Standortauswahlverfahrens Einfluss zu nehmen.

Fragen und Antworten zur Endlagersuche

Wenn Ende 2022 das letzte deutsche Atomkraftwerk vom Netz geht, werden rund 10.500 Tonnen hochradioaktiven Abfalls angefallen sein, verpackt in etwa 1.900 Castor-Behälter, die endgelagert werden müssen. Im Zuge des Neustarts bei der Endlagersuche sind die Zuständigkeiten im Suchverfahren geregelt worden.

Die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) betreibt die eigentliche Endlagersuche. Sie erarbeitet Vorschläge für die Auswahl der Standortregionen und die zu erkundenden Standorte. Sie organisiert die über- und unterirdischen Erkundungen für die noch festzulegenden Standorte. Und sie schlägt nach jeder Phase des Verfahrens vor, welche Gebiete weiter untersucht werden. Überdies ist die bundeseigene Gesellschaft für die Atommülllager Asse und Morsleben sowie den Bau des Endlagers Schacht Konrad verantwortlich.

Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (Base) ist zum einen Kontroll- und Aufsichtsbehörde bei der Suche. Es bewertet die Vorschläge und Erkundungsergebnisse der BGE und schlägt nach Prüfung der Bundesregierung den Endlagerstandort vor. Es begleitet den Suchprozess aus wissenschaftlicher Sicht und überwacht, dass die Suche so abläuft, wie sie im Gesetz festgelegt ist. Zum anderen ist das Base für die Öffentlichkeitsbeteiligung zuständig. Es informiert über das Verfahren und organisiert die gesetzlich festgelegten Konferenzen und Gremien.

Das Nationale Begleitgremium (NBG) setzt sich zusammen aus anerkannten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens sowie aus Bürgern, die in einem bestimmten Verfahren gewählt wurden. Die Mitglieder dürfen weder einem Parlament des Bundes oder des Landes angehören noch einer Bundes- oder Landesregierung. Aufgabe des NBG ist es, das Suchverfahren vermittelnd und unabhängig zu begleiten.

Das Bundesumweltministerium (BMU) trägt die politische und administrative Gesamtverantwortung im Bereich Endlagerung. Es überprüft, dass das Verfahren den Anforderungen und Kriterien des Standortauswahlgesetzes entspricht.

Aus 181 untersuchten Gebieten wurden 90 Teilgebiete ermittelt, die nun weiter untersucht werden sollen. Die Teilgebiete umfassen eine Gesamtfläche von rund 240.000 Quadratkilometern, das entspricht 54 Prozent der Fläche Deutschlands. 74 Teilgebiete liegen in Salzgestein, neun in Tongestein und sieben in kristallinem Gestein, also Granit.

    Alle bis auf das Saarland. Weil sie über die meisten geeigneten

    Gesteinsformationen verfügen, liegen die meisten Teilgebiete in

    Niedersachsen, Bayern und Baden-Württemberg.  Es gibt sehr kleine

    Teilgebiete, beispielsweise Salzstöcke, aber auch sehr große

    Teilgebiete wie große Tonformationen, die sich über mehrere

    Landkreise oder sogar Bundesländergrenzen hinweg erstrecken.

Die BGE hat in den vergangenen drei Jahren geologische Daten ausgewertet, die vom Bund und den Ländern übermittelt wurden. Dem Zwischenbericht liegen ausschließlich geologische Kriterien zugrunde. Raumplanerische Aspekte wie zum Beispiel der Abstand zur Wohnbebauung oder Nähe zu Naturschutzgebieten spielen erst in den weiteren Arbeitsschritten eine Rolle.

Der Salzstock wurde in den vergangenen Jahrzehnten bereits umfassend untersucht. Er erfüllt zwar die Mindestanforderungen an ein Endlager, fiel aber bei den sogenannten Abwägungskriterien durch - unter anderem gibt es kein ausreichendes starkes unterirdisches Deckgebirge, das den Salzstock dauerhaft von Wasserzuflüssen abschirmt.

  • Der nun vorgelegte Zwischenbericht Teilgebiete ist die Grundlage für die erste Phase der formalen Öffentlichkeitsbeteiligung. Damit erhalten interessierte Bürger*innen die Möglichkeit, auf die Ergebnisse des weiteren Standortauswahlverfahrens Einfluss zu nehmen.
  • Die Beteiligung startet das Bundesamt für die Sicherheit der kerntechnischen Entsorgung (BASE) am 17./18. Oktober mit einer Auftaktveranstaltung in Kassel zur «Fachkonferenz Teilgebiete».
  • In weiteren Verlauf des Suchverfahrens will die BGE unter Berücksichtigung der Ergebnisse der «Fachkonferenz Teilgebiete» einen Standortvorschlag für Regionen erarbeiten, die oberirdisch erkundet werden könnten.
  • In der nächsten Phase ermittelt die BGE Standorte, die sie zur untertägigen Erkundung vorschlägt. Nach Abschluss der untertägigen Erkundung wird für 2031 der Standortvorschlag angestrebt. Über die einzelnen Schritte muss jeweils der Bundestag entscheiden.

Umweltorganisationen und Anti-Atom-Initiativen bemängeln, dass die Zeit zwischen der Veröffentlichung des Zwischenberichts und der ersten Konferenz viel zu kurz sei, um sich in die Materie einzuarbeiten. Es gebe seitens der Behörden auch keine finanziellen Mittel für unabhängige Expertise. Die Zivilgesellschaft könne sich zudem unter den Corona-Bedingungen viel schlechter organisieren als üblicherweise. Schließlich seien die Stellungnahmen aus der Konferenz nicht "ergebniswirksam". Denn die BGE arbeite in der Zwischenzeit schon weiter an der Auswahl von Regionen, statt abzuwarten, welche Einwände die Betroffenen formulierten.

Das Endlager soll alle hoch radioaktiven Abfälle aufnehmen, die bis zum Vollzug des Atomausstiegs Ende 2022 in Deutschland angefallen sein werden. Es handelt sich um abgebrannte Brennstäbe aus den Atomkraftwerken und Rückstände aus der Wiederaufarbeitung - insgesamt etwa 10.500 Tonnen. Die Abfälle werden in rund 1.900 Castorbehälter verpackt. Nicht auszuschließen ist, dass neben dem künftigen Endlager noch eine zweite Lagerstätte für mittel- und schwach radioaktiven Atommüll gebaut wird. Denn das dafür vorgesehene Endlager Schacht Konrad in Salzgitter kann voraussichtlich nicht alle Abfälle dieser Art aufnehmen. Für die 126.000 Fässer, die aus dem maroden Bergwerk Asse geborgen werden sollen, hat Schacht Konrad keine Genehmigung.

Dieses Kapitel ist zu Ende – aber wir schlagen ein neues Buch auf. Wir gehen vom Widerstand quasi ins aktive Gestalten.“

Stephan Wichert-von Holten

Was passiert in Phase I des Standortauswahlverfahrens?

Steffen Kanitz ist Geschäftsführer der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE). Er erklärt, wie die erste Phase des Standortauswahlverfahrens abläuft und welche Rolle Teilgebiete dabei spielen.

Der Weg zum Zwischenbericht "Teilgebiete"