Startseite Archiv Tagesthema vom 08. September 2020

"Am Ende sagen alle: Das habt ihr gut gemacht"

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Von der Liedauswahl bis zur Predigt: Lektor*innen planen und führen eigenständig Gottesdienste durch. Was motiviert gerade junge Menschen, in einem U25-Kurs Lektor*in zu werden? Drei gerade Volljährige aus Niedersachsen erzählen, warum sie gern in der Kirche aktiv sind.

„Ich hatte Anfang August meinen ersten ,eigenen‘ Gottesdienst – mit Begleitung eines erfahrenen Lektors, aber letztlich habe ich doch alles selbst geplant, gepredigt und gesegnet. Ich bin erleichtert, dass alles doch ganz gut geklappt hat. Einige haben mir im Anschluss gesagt, dass ich durch den Hall in der Kirche teilweise nicht gut zu verstehen war, da müssen wir nächstes Mal sehen, ob es vielleicht mit einem Mikro besser ist. Aber ansonsten ist es ein tolles Gefühl! Nur beim Segen war ich sehr nervös – das fiel mir auch in der Ausbildung beim Üben schon schwer, weil die Geste so ungewohnt ist.

Ich fand es super, dass wir im Lektor*innenkurs auch praktische Einheiten hatten. Wir haben an fünf Wochenenden aber natürlich auch die Theorie gelernt: uns mit den verschiedenen Bestandteilen eines Gottesdienstes auseinandergesetzt, gelernt, wie wir Lieder auswählen und wie wir uns eine Lesepredigt aneignen, denn wir dürfen selbst noch keine Predigten schreiben, und so weiter. Jetzt im Mentorat werden wir bei den ersten Gottesdienst-Einsätzen von Pastor*innen und erfahrenen Lektor*innen begleitet. Das ist auf jeden Fall ein gutes System und ich freue mich auf die nächsten Einsätze.

Nächstes Jahr mache ich mein Abitur und danach: mal sehen. Theologie zu studieren ist eine Option, vielleicht mache ich aber auch erstmal etwas ganz anderes. Auf jeden Fall werde ich aber immer wieder hier in die Gethsemane-Gemeinde kommen, um Gottesdienste zu halten.“

 

„Meine Eltern haben nichts mit der Kirche am Hut. Selbst zu Weihnachten kommt mein Vater nur widerstrebend mit. Ich dagegen kann mir einen Alltag ohne Kirche aber gar nicht mehr vorstellen! Ich bin mittlerweile im Kirchenvorstand und fahre gern als Teamerin mit auf Konfi-Freizeiten und so weiter – das will ich nicht missen!

Wobei ich eigentlich nur dazu gekommen bin, weil ich eine andere Leidenschaft aufgeben musste: ich habe jahrelang Karate trainiert, aber dann habe ich mir die Bänder gerissen und konnte keinen Sport mehr machen. Deshalb hatte ich auf einmal viel Zeit und eine Freundin hat mich dann quasi zur Kirche gebracht. Da bin ich dann reingewachsen. Ich hätte es nicht erwartet, aber die Verletzung hat mir neue Türen geöffnet.

Ich habe mit der Zeit auch Aufgaben im Gottesdienst übernommen und als ein Flyer für den U25-Lektoren hereinflatterte, hat unsere Diakonin mir den sehr ans Herz gelegt – aber allein wollte ich mich nicht anmelden. Also habe ich eine Freundin gefragt und das war eine super Entscheidung.

In den Kurs bekommt man gleich Feedback. Und abends saßen wir zusammen und haben plötzlich total tiefgründig über unseren Glauben und unsere Motivation gesprochen, das hat uns sehr verbunden. Ich würde sagen, da sind sogar Freundschaften entstanden. Wir wollen auf jeden Fall den Kontakt halten und uns auch gegenseitig zu unseren Gottesdiensten besuchen und im Dezember gemeinsam einen Jugend-Gottesdienst halten. Die, die dann von weiter weg kommen, werden wir irgendwo unterbringen, vielleicht sogar bei einem der ,Gastgeber‘ privat zu Hause. Wir ticken alle ähnlich und das ist ein tolles Gefühl, sich in so einer Gemeinschaft aufgehoben zu fühlen.

Klar, im ersten Moment ist es merkwürdig, für die Lesung oder Gebete vorn vor dem Altar zu stehen und etwas zu erzählen, aber am Ende sagen mir viele: ,Das hast du gut gemacht, schön, dass jemand Junges dabei war.' Das kann, denke ich, viele neue Leute begeistern – wenn die Kirche nicht krampfhaft versucht, einen ,auf jung zu machen‘, sondern sich jungen Menschen und neuen Formen öffnet und zulässt, dass sie es vielleicht auch anders machen.

Viele Jugendliche haben die Vorstellung, dass man sich im Gottesdienst nur berieseln lässt – klar, dass das schnell langweilig sein kann. Aber so muss es nicht sein. Wir haben eine Umfrage unter Konfirmand*innen gemacht und viele finden die Predigt sogar wichtig. Aber sie soll nicht abgelesen sein, sondern eine persönliche Ansprache haben, einen mitnehmen. Und die Orgellieder waren vielen Konfirmanden zu altbacken – das ist einfach nicht das, was jede*r mag.

Für mich war das Schwierigste im Lektor*innenkurs: eine der Predigten auszuwählen, denn keine passte wirklich zu mir. Wenn ich die so vorgetragen hätte, wie sie angeboten wurden, hätte man mir es nicht abgenommen, die Sprache war zu hochgestochen. Am Ende habe ich doch eine Lösung gefunden, aber erstmal habe ich mir ziemlich die Zähne ausgebissen.

Dieses Altbackene ist es auch, was viele erstmal abschreckt, wenn ich sage, dass ich kirchlich engagiert bin – aber wenn ich dann erzähle, was wir alles Tolles machen, Freizeiten mit viel Action und so weiter, dann finden sie es doch ganz spannend.

Und der Kurs hat mich darin bestärkt, Diakonin werden zu wollen. Ich kann gut mit Kindern umgehen, ich habe auch ein Patenkind. Erstmal mache ich aber mein Abitur und dann - mal sehen.“

 

„Ich hatte ziemlich lange die Idee, Theologie zu studieren. Allerdings ist das ein sehr langes Studium und es gibt so viele andere mögliche Wege – und dann fragte unsere Pastorin uns Teamer*innen, ob wir nicht Lektor*innen werden wollen. Das passte für mich total gut! Ich war selbst immer mal in der Kinderkirche, es war keine Frage, dass ich mich konfirmieren lassen würde. Danach war ich Teamerin und habe schonmal bei Lesungen und so weiter geholfen. Da war der Schritt zur Lektorin nicht mehr weit.

Es ist ein tolles Gefühl, so vom Glauben zu erzählen. Als Lektorin habe ich die Freiheit, Gottesdienste alleine zu gestalten. Man darf zwar noch nicht selbst Predigten schreiben, aber sich Vorlagen aneignen und an die eigene Sprache anpassen.

Klar, war das am Anfang eine Überwindung, nach vorn zu gehen und dort zu sprechen. Die meiste Angst hatte ich vor etwa drei Jahren, als ich an Heiligabend in der rappelvollen Kirche die Fürbitte halten durfte. Da war ich sehr angespannt! Aber die Gemeinde gibt mir immer wieder ein gutes Gefühl: Sie würden mir schon sagen, wenn etwas nicht so gut war. Tatsächlich sind die Rückmeldungen aber eigentlich immer positiv: es sei cool, dass jemand Jüngeres da vorn stünde, manche bedanken sich richtig dafür, dass ich mitmache.

Ich finde diese Gemeinschaft im Gottesdienst ohnehin toll, auch als reine Besucherin. Ich sehe mich dann um und wenn da zum Beispiel eine ältere Dame allein sitzt, setze ich mich daneben. Auch wenn man sich nicht kennt, ist man durch den Gottesdienst, die gemeinsame Zeit in der Kirche, verbunden. Und es ist schön, immer wieder Neues mitnehmen zu können, neue Sichtweisen und Gedanken.

Ich habe jetzt in den nächsten Wochen zwei Gottesdienste, bei denen ich Lesungen und Gebete mache und dann zwei, die ich komplett allein gestalte. Und am 1. Advent werde ich dann, wenn alles klappt, eingesegnet.

Wenn es dann in die Abi-Prüfungen geht, werde ich erstmal keine Gottesdienste übernehmen, aber danach auf jeden Fall. Ich kann mir eine Ausbildung im sozialen Bereich vorstellen – aber selbst, wenn ich zum Studieren wegziehen würde, wäre ich am Wochenende ja immer mal hier und möchte Dienste übernehmen.“

Interviews: Christine Warnecke

3 Fragen zum U25-Lektor*innen-Kurs

Frau Schmidt-Lensch, Sie haben den mittlerweile dritten U25-Lektor*innen-Kurs mit begleitet, die Idee dazu hatte ihr Mann, am zweiten Kurs hat ihr Sohn teilgenommen. Wie läuft das Projekt?

Schmidt-Lensch: „Gut! An fünf Wochenenden machen die jungen Anwärter*innen die gleiche Ausbildung, die auch andere Lektor*innen machen, es gibt da keinen Sparkurs oder so etwas. Es ist eher sogar noch etwas mehr, weil auch die Ausrichtung eines Jugend-Gottesdienstes dazugehört. Danach gibt es ein Mentorat, in dem die angehenden Lektor*innen zusammen mit ihren Mentor*innen Gottesdienste durchführen und auch noch einmal Feedback bekommen.“

Was muss man mitbringen, um Lektor*in zu werden?

Schmidt-Lensch: „Es braucht persönliches Interesse und die Beauftragung durch den Kirchenvorstand und das Pfarramt – man wird also von der Gemeinde geschickt, in der man dann später auch tätig sein soll. Man sollte Freude daran haben, von Gott und dem Glauben zu erzählen und gern vor Publikum sprechen. Das Schwierigste ist für viele die Lesepredigt, das heißt, eine Predigt auszuwählen, sich anzueignen und an die eigene Sprache anzupassen. Viele Vorlagen entsprechen nicht mehr den Erfahrungen und Lebenswelten der Jüngeren. Selbst Predigten schreiben dürfen sie noch nicht, aber aus einer Auswahl eine Lesepredigt aussuchen und auf sich anpassen.“

Ist es schwierig, junge Menschen für die Ausbildung zu begeistern?

Schmidt-Lensch: „Ich würde nicht sagen, dass es sonderlich schwierig war, die Plätze zu besetzen. Viele kommen aus der Jugendarbeit, werden von Pastor*innen und Diakon*innen vor Ort angesprochen und so kamen die Interessent*innen bisher schnell zusammen. Ich finde, dass die gute Jugendarbeit da Früchte trägt und etwas zurückkommt. Wenn man die jungen Menschen so sieht, macht das wirklich Mut! Da mache ich mir keine Sorgen um den Kirchen-Nachwuchs.“