Ein junger Mann schaut ernst, aber nicht unfreundlich in die Kamera. Neben dem Foto steht: „Es gab Leute, die haben ihn in Handschellen gesehen, dass sie ihn in eine Fabrik gebracht haben. Es wurde gesagt, von dort bringen sie die Leute mit Bussen weg - irgendwohin.“ Seit diesem Geschehen im Juni 1999 wurde Bujar Qorraj nicht mehr gesehen. Niemand weiß, was mit ihm geschah oder will es sagen.
Eine Frau mit Brille schaut ebenso ernst in die Kamera. Zu ihrem Bild kann man lesen: „Sie schickten die Männer weg und wir blieben zurück mit den Kindern und Älteren. Dann ließen sie uns nach Albanien laufen, wir liefen 24 Stunden lang. Das Schlimmste ist, dass die Behörden nichts tun, um Licht ins Dunkel zu bringen.“
Solche Fotos und kurze Erzählungen skizzieren die grausamen Folgen, die der Kosovo-Krieg bis heute hat. Sie bilden die Ausstellung „Dealing with the forgotten“ (englisch, etwa: „Mit den Vergessenen umgehen“). Organisiert wurde sie von der „Youth Initiative for human rights Kosovo“, die sie in der Nationalbibliothek in Pristina zeigen wollte. Doch auch sie musste wegen der Corona-Pandemie schließen – die Gesichter und Geschichten sind darum umgezogen: in ein virtuelles 360-Grad-Museum im Internet.