Startseite Archiv Tagesthema vom 06. Dezember 2019

Gemeinsam entscheiden - unkompliziert und schnell

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Karaokeabend? Nachtrallye? Oder doch einen Film gucken? Was die Jugendlichen der Kreisfeuerwehr Celle in ihrem jährlichen Zeltlager unternehmen, wurde bislang einfach von den Organisatoren festgelegt. Seit Sommer 2019 nutzen die Celler die App „PLACEm“. Nun können die Teilnehmer schon mitreden, bevor sie im Camp ankommen: Welcher Film soll gezeigt werden? Welchen Namen trägt das Maskottchen? Welches Essen gekocht werden?

Beteiligung ermöglichen - das ist die Idee der App, die der Verein „Politik zum Anfassen“ aus Hannover entwickelt hat. Sie lässt sich universell einsetzen: ob im Sportverein, der Kirchengemeinde, der Schulklasse oder dem Schützenverein. 

Gregor Dehmel fasst die Idee von „PLACEm“ so zusammen: “Häuptlinge können ihre Indianer unkompliziert und schnell befragen“. Dehmel ist Gründer des Vereins "Politik zum Anfassen - und nennt einen weiteren Grund, warum die App aus seiner Sicht immer mehr Nutzer hat: "Diejenigen, die abstimmen, werden wahrgenommen. Sie merken, dass ihre Meinung zählt. Sie erfahren, was ein Gemeindevorstand, eine Schulleitung oder ein Stadtrat eigentlich alles entscheiden muss - und werden vielleicht selbst aktiv."

Die App funktioniert ähnlich wie die meisten sozialen Medien. Doch anders als dort sind Eintragungen der Mitglieder anonym und nur für den Gruppenleiter sichtbar. So werden abschweifende Diskussionen verhindert, alle bleiben beim Thema, in einem datengeschützten Raum.

"Was kann ich schon bewirken?“ oder „Die da oben kümmern sich eh nicht um mich“ - diese Fragen stellten sich die Nutzer der App nicht mehr, betont Dehmel. "Jede und jeder kann eine digitale Gruppe gründen, Informationen und Fotos hochladen und Umfragen erstellen.“ Dabei sei es egal, ob die Schulleitung über die Gestaltung des Schulhofes oder die Stadtverwaltung über die Öffnungszeiten des Schwimmbads abstimmen lassen will.

Momentan sind die hauptsächlichen Nutzer Feuerwehren und Sportvereine. Aber auch Kirchengemeinden und Schulen entdecken die Möglichkeiten und könnten so auch Fragen rund um Teilhabe und Demokratie thematisieren. 
Die App wird von ihren Machern auch beim Lehrkräfteforum der Evangelischen Landeskirche Hannovers am 11. Dezember vorgestellt.  Das Forum im Hannover Congress Centrum (HCC) will Lehrerinnen und Lehrern praxisnahe Ideen und Inspirationen geben, die sich in den Unterricht integrieren lassen. 

Das Forum unter dem Motto "Jetzt. Anders. Leben." nimmt Themen von Umweltschutz über Geschlechtergerechtigkeit, Migration und Ressourcenknappheit bis hin zu fairem Handel und Digitalisierung in den Blick. "Wir richten den Blick auf die Menschen, die weltweit schon jetzt an den Folgen globaler Erwärmung leiden", schreibt Landesbischof Ralf Meister in seiner Einladung. "Zugleich wollen wir uns inspirieren lassen von Menschen, die aus den eingespielten Logiken ausbrechen, die um demokratische Selbstbestimmung und gerechte Arbeitsverhältnisse kämpfen."

Eingeladen sind Lehrende aller Schulformen, die Teilnahme ist kostenlos. Anmeldungsformulare, Programm und Einladungsflyer gibt es hier

Christine Warnecke

Interview mit Gregor Dehmel

Herr Dehmel, wie kann eine digitale App zu mehr Demokratie führen?
Dehmel: Die App ermöglicht viele kleine, alltägliche Demokratieerfahrungen im Alltag. Und sie zeigt, dass meine Meinung zählt. Ich denke, wir haben verlernt, mitzudenken und zu sehen, dass uns Dinge angehen. Über die App wird sichtbar, was Vereins- oder Gemeindevorstände alles zu entscheiden haben - vielleicht hat dadurch der ein oder andere mehr Lust, sich einzubringen. Und je mehr Leute mitwirken und sich Gedanken machen, desto besser wird es.


Wie kann die App im kirchlichen Kontext hilfreich sein?
Dehmel: Überall da, wo Menschen sich engagieren, sich aber nicht ständig treffen, hilft die App. Durch sie sind alle schnell erreichbar und können ohne großen Aufwnad mitreden. Die App kann helfen, loses Engagement stärker zu binden, in kirchlichem Kontext zum Beispiel bei Besuchsdiensten oder Chören, die sich nicht jede Woche treffen. 


Jugendlichen wird oft vorgeworfen, sie seien unpolitisch - mit Ausnahme der "Fridays for future"-Bewegung. Welche Erfahrungen machen Sie?
Dehmel: Jugendliche sind überhaupt nicht unpolitisch und waren es auch nie. In den letzten Jahren hat man sie aber eingelullt, an den Spielfeldrand gedrängt und gesagt: Lasst uns Erwachsene das mal machen. Das dreht sich gerade massiv, wie man auch an der Fridays for future-Bewegung sieht - Jugendliche wollen aktiv mitgestalten. Mit "PLACEm" haben sie eine einfache Möglichkeit dazu. Und das tut der Demokratie gut.