Startseite Archiv Tagesthema vom 29. Oktober 2019

Zukunft pflanzen

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Mit einer speziellen Bepflanzung will die hannoversche Jakobigemeinde einen Beitrag zur Artenvielfalt leisten – und die Nachbarschaft gewinnen

Im September startete das landeskirchliche Projekt „Zukunft leben“. Es soll Menschen beim praktischen Umwelt- und Klimaschutz in ihrer Nachbarschaft unterstützen. Kirchengemeinden vor Ort bilden dabei das organisatorische Dach. Die Jakobigemeinde im hannoverschen Stadtteil Kirchrode ist die erste, die eine Nachbarschaftsaktion im Projektrahmen organisiert hat. Sie will den Platz vor dem Gemeindehaus zu einer Insel der Artenvielfalt umgestalten.

Sie müssen kräftig graben mit Pflanzschaufel und Spaten. Der Boden um die Bäume vor dem Gemeindehaus verlangt den engagierten Menschen aus Kirchrode viel ab, denn er ist ausgetrocknet und hart. „Die beiden vergangenen Sommer waren sehr trocken“, sagt Ulrike Wolf, landeskirchliche Umweltreferentin, die die Pflanzaktion vor dem Gemeindehaus mit anleitet. „Die Bäume saugen so viel Wasser aus dem Boden, wie sie kriegen können.“ Die Folgen sind schweißtreibend für die Freiwilligen von St. Jakobi an diesem Sonnabendvormittag.

Sie bepflanzen hier die fünf Baumscheiben auf dem vor einigen Jahren neu gestalteten Platz. Zuvor haben sie den braunen Rindenmulch abgetragen. Ulrike Wolf verteilt mit zwei Helfern aus der Gemeinde Pflanzen wie Storchschnabel, Nieswurz oder Glockenblumen auf die kahlen Baumscheiben. Anschließend rücken die anderen der knapp zwanzig Helfer aus Gemeinde und Nachbarschaft an und setzen die insgesamt rund 750 Pflanzen per Hand ein, sechs pro Quadratmeter. Sie graben kleine Löcher in den harten Boden, füllen diese mit neuer Erde auf und platzieren die Gewächse. So geht es Baumscheibe für Baumscheibe voran.

Statt Rindenmulch-Monotonie soll es um die Bäume nämlich bald Artenvielfalt geben. Ulrike Wolf und Projektleitern Anna Neumann, die hier auch mit anpackt, haben heimische Pflanzen ausgewählt, die nicht nur gut mit Trockenheit umgehen können, sondern die auch möglichst vielen Insekten über einen möglichst langen Jahreszeitraum Nahrung und Möglichkeiten zur Fortpflanzung bieten.

Storchschnabel beispielsweise liefert im September und Oktober Pollen und Nektar für Wildbienen. Auch Hummeln oder Schmetterlinge fliegen die Pflanze gern an, erklärte Ulrike Wolf in einem Vortrag in der Gemeinde tags zuvor. Die Blätter des Großen Windröschens dienen den Raupen des Dunkelbraunen Waldrebenspanners als Nahrung. Pfennigkraut blüht von Mai bis Juli und bietet neben Pollen auch Öl, worauf vor allem Schenkelbienen angewiesen sind.

Die pflanzliche und tierische Artenvielfalt zu unterstützen ist bitter nötig. Klimawandel und die heutige Form der Landwirtschaft bedrohen die Biodiversität enorm. Die Artenvielfalt in den Städten ist inzwischen größer als auf dem Lande, betont Wolf. Auf großen Feldern ohne Hecken, ohne blühende Pflanzen wie Kornblumen und Klatschmohn finden viele Insekten weder Nahrung noch Lebensraum. Einen kleinen Beitrag zur Abhilfe wollen die umweltbewussten Gemeindemitglieder in Kirchrode leisten.

Sie stießen auf das Nachbarschaftsprojekt „Zukunft leben“ der hannoverschen Landeskirche. Diese bietet damit bei Klimaschutzideen personelle Hilfe durch die Umweltexperten des Hauses kirchlicher Dienste. Die Teilnahme ist kostenlos, denn die Bundesregierung fördert das Projekt zu 70 Prozent, der Rest wird aus Kirchensteuermitteln finanziert. Die Artenvielfalt zu unterstützen ist für Mitmachende nur eine Möglichkeit.

„Initiativen zum klimafreundlichen Einkaufen und Kochen sind genauso möglich wie die Einrichtung einer Fahrradwerkstatt“, erläutert Umweltschutzreferentin Anna Neumann. „Alle sind eingeladen, sich einzubringen.“ Mitglied in der evangelischen Kirche müssen Teilnehmer nicht sein. Entscheidend ist vielmehr die kontinuierliche Beschäftigung mit ihrem Projekt. Die Nachbarschaftsgruppen sollen einen konkreten Plan zur Senkung des Treibhausgasausstoßes in ihrem Umfeld entwickeln, umsetzen und in monatlichen Treffen mindestens ein halbes Jahr lang über ihre Fortschritte berichten.

In der Jakobigemeinde suchen sie nun Baumscheiben-Paten, die hier regelmäßig gießen. Sabine Wedekind und Detmar Schäfer vom Kirchenvorstand sind optimistisch, dass dies klappt, denn hier gibt es viele umweltbewusste, engagierte Menschen. Das Gießen ist für die nächsten zwei Jahre dringend nötig, damit die Artenvielfalt sich danach selbst tragen kann. Die Sommer könnten auch in Zukunft so trocken werden, sagen Klimaforschen.  

Stefan Korinth

Mitmachen!

Kontakt für interessierte Gruppen: Anna Neumann, Haus kirchlicher Dienste, Arbeitsfeld Umwelt- und Klimaschutz, Telefon: 0511 1241-490, E-Mail: neumann@kirchliche-dienste.de