Startseite Archiv Tagesthema vom 22. September 2019

Das viel größere Wunder

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Andacht am 14. Sonntag nach Trinitatis

Wunder gehören zur Bibel dazu. Sie sind immer wieder Anlass, sich an der Bibel zu stören. Sie bringen Christen in Verlegenheit, wenn sie gefragt werden: „Glaubst du wirklich all das, was in der Bibel steht?“ Ich habe sie nie gezählt. Aber gerade das Wunderwirken von Jesus ist so umfangreich bezeugt, dass man davon ausgehen muss, dass er tatsächlich Wunder gewirkt hat.

Dass Menschen ihm wegen seiner Wunder nachliefen, störte Jesus. „Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder seht, so glaubt ihr nicht,“ beschwert sich Jesus (Joh 4,48). Trotzdem gibt er nach und heilt dann doch.

Vor einiger Zeit stolperte ich in über die Anzeige einer Freikirche. Es wurde auf einen Heilungsgottesdienst in einem Freizeitheim hingewiesen. „Und? Warum gehst du nicht hin? Hast du Angst davor, gesund zu werden?“ Diese Frage verschlug mir die Sprache. Nein, ich bin nicht dagewesen. Aber nicht aus Angst davor, gesund zu werden. Sondern eher davor, dass ich mit all meiner Sehnsucht nach gesundem Leben dort hinkomme und mit dieser Sehnsucht wieder nach Hause müsste. Dass ich das dort versprochene Wunder eben nicht erlebe. Und also ein anderes, ein viel größeres Wunder bräuchte: Nämlich genau das aushalten zu können.

Die Wunder in der Bibel machen es sich so einfach. Da wird jemand gesund. Alle staunen. Der schwierigere Weg wäre der, mit dem Kranken das Kranksein auszuhalten. Wäre das nicht das viel größere Wunder?

Ich habe großen Respekt vor Menschen, die ein Leiden aushalten. Es nicht schönreden, aber aushalten. Ebenso vor Menschen, die das Leiden anderer mitaushalten. Ich denke, unsere Achtung vor Menschen, die pflegende Berufe ausüben, kann gar nicht hoch genug sein. Auch vor denen, die ihre Verwandten zu Hause betreuen. Wie wunderbar, dass es solche Menschen gibt!

Für sich selbst hat Jesus den schwierigeren Weg gewählt. Als ihm selbst Leiden und Sterben bevorstanden: "Und er ging ein wenig weiter, fiel nieder auf sein Angesicht und betete und sprach: Mein Vater, ist's möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht wie ich will, sondern wie du willst!" (Mt 26,39)

Und das macht ihn für mich auch in Situationen, die ich als leidvoll erlebe, wieder so glaubwürdig. Gott hat selbst in Jesus Leiden kennengelernt und ausgehalten. So sehr ich mich über die Wunder von Jesus ärgere - auch, weil ich sie so wenig erlebe – bleibt mir doch das Wunder, dass ich in meinem Leiden nicht alleine bin. Sondern mein Gott es mit mir aushält. Mich darin hält. Wie wunderbar!

Amen.

Jakob Kampermann

Der Autor unserer Andachtsreihe

Mein Name ist Jakob Kampermann. Ich bin 41 Jahre alt und war bis vor Kurzem Pastor in einer Kirchengemeinde im Westen von Hannover. Die Vielfältigkeit des Berufes von der Öffentlichkeitsarbeit über die Gestaltung von Gottesdiensten bis zur Seelsorge hat mich immer gereizt. Tut sie noch immer.

Ich bin verheiratet und habe mit meiner Frau zwei Töchter. Seit gut 20 Jahren lebe ich mit der Diagnose „Multiple Sklerose“, einer Erkrankung des zentralen Nervensystems, was mich zunehmend motorisch eingeschränkt. Seit acht Jahren muss ich einen Rollstuhl benutzen.

Aus biografischen Gründen ist also mein Fragen nach Behinderungen, christlichem Glauben und unserem Gott besonders dringlich. Darüber schreibe ich in sechs aufeinanderfolgenden Andachten.

Der Bibeltext

Und Jesus kam abermals nach Kana in Galiläa, wo er das Wasser zu Wein gemacht hatte.

Und es war ein Mann im Dienst des Königs; dessen Sohn lag krank in Kapernaum. Dieser hörte, dass Jesus aus Judäa nach Galiläa gekommen war, und ging hin zu ihm und bat ihn, herabzukommen und seinen Sohn zu heilen; denn der war todkrank.

Da sprach Jesus zu ihm: Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder seht, so glaubt ihr nicht. Der königliche Beamte sprach zu ihm: Herr, komm herab, ehe mein Kind stirbt! Jesus spricht zu ihm: Geh hin, dein Sohn lebt! Der

Mann glaubte dem Wort, das Jesus zu ihm sagte, und ging hin. Und während er noch hinabging, begegneten ihm seine Knechte und sagten: Dein Kind lebt. Da fragte er sie nach der Stunde, in der es besser mit ihm geworden war. Und sie antworteten ihm: Gestern um die siebente Stunde verließ ihn das Fieber. Da merkte der Vater, dass es zu der Stunde war, in der Jesus zu ihm gesagt hatte: Dein Sohn lebt. Und er glaubte mit seinem ganzen Hause.

Das ist nun das zweite Zeichen, das Jesus tat, als er aus Judäa nach Galiläa kam.

Johannes 4, 46-54