Startseite Archiv Tagesthema vom 13. August 2019

„Da kräht wieder der Grüne Hahn“

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Zehn Jahre Umweltmanagement in der Kirchengemeinde Benthe

Als ihnen die Decke auf den Kopf fiel, mussten Fritzi Lorenz und Rüdiger Rode handeln. Das Dach des Gemeindehauses in Benthe (Stadt Ronnenberg) war eingestürzt, die Kasse so gut wie leer. Hinzu kamen die hohen Energiekosten für die Bankheizung der kleinen Kapelle im Ortskern. Da fuhren die beiden Mitglieder des Kirchenvorstands zu einer Fortbildungsveranstaltung und lernten das Umweltprogramm „Der Grüne Hahn“ kennen. Die Schöpfung bewahren und gleichzeitig Geld sparen – diese Kombination hat die beiden Ehrenamtlichen überzeugt. „Wir waren sofort begeistert“, erinnert sich Fritzi Lorenz. Genau zehn Jahre ist das her. Die Begeisterung hat nicht nachgelassen.

Es klang verlockend, dass „Grüner-Hahn“-Gemeinden bei Umbauten besonders bezuschusst werden. Doch das war nicht der Hauptgrund. „Kirchengemeinden können so einen Beitrag zur Bewahrung der Schöpfung leisten“, sagt Rüdiger Rode (76), der inzwischen Umweltmanagementbeauftragter der Kirchengemeinde Benthe ist. Und das Programm dient sogar dem Gemeindeaufbau: „Wir können Menschen für eine Mitarbeit gewinnen, die sonst nicht unbedingt in der Gemeinde auftauchen“, merkt die langjährige Kirchenvorstandsvorsitzende Fritzi Lorenz (61) an.

Da werden nicht nur Umweltbewegte gesucht, sondern beispielsweise auch Menschen, die Spaß an Statistik haben. Und Menschen wie Wilhelm Kulke (78), der bereits Anfang der 70er-Jahre mit einer Bürgerinitiative den Bau einer Autobahn von Herrenhausen nach Hameln verhinderte. Bei Benthe sollte ein Autobahnkreuz die Natur verschandeln. Der ehemalige Förster arbeitete später bei der Deutschen Bundesstiftung Umwelt und hatte einen Lehrauftrag für Umweltrecht an der Universität Oldenburg. Da war die Mitwirkung beim „Grünen Hahn“ nur folgerichtig.

Was waren die ersten Maßnahmen? Nachdem der restliche Kirchenvorstand und der Pastor überzeugt waren und sich ein arbeitsfähiges Team gebildet hatte, stürzten sich Rüdiger Rode und seine Mitstreiter*innen auf die Lehrgänge und das dicke Handbuch, in dem alle Vorgaben für eine erfolgreiche Zertifizierung nach der europäischen EMAS-Richtlinie (Eco-Management and Audit Scheme) verzeichnet sind. Das Programm „Der Grüne Hahn“ erfüllt alle diese Vorgaben. „Das war schon ziemlich aufwändig“, seufzt Rüdiger Rode.

Dann wurde es konkret: Nachdem klar war, dass eine neue Heizungsanlage für die Kirche zu teuer sein würde, führte die Gemeinde die Winterkirche ein: Zwischen Silvester und Karfreitag feierten die Benther ihre Gottesdienste im Gemeindehaus. In der Kirche wurde nur so viel geheizt, dass die Orgel keinen Schaden nimmt. Das Gemeindehaus bekam ein neues Dach und neue Fenster und vor allem eine neue Heizungsanlage. Das Umweltteam schult alle Gruppenleiter zum Thema „Richtiges Heizen und Lüften“.

Aber nicht nur das: Rüdiger Rode pilgert jede Woche mit dem Belegungsplan zum Gemeindehaus und programmiert die Heizung. Vor den Veranstaltungen geht sie rechtzeitig an und hinterher automatisch aus. Überschaubare 250 Euro hat die Anlage gekostet, die jetzt allerdings ausgetauscht werden soll. „Es gibt dafür keine Ersatzteile mehr“, so Rode. Außerdem musste er bislang, wenn ein Termin ausfällt, einen Extra-Spaziergang einlegen, um die Heizung neu zu programmieren. Jetzt hat der Informatiker eine noch zeitgemäßere Lösung gefunden. Die neue Anlage lässt sich von zu Hause aus mit einer Smartphone-App steuern. Darüber hinaus kann man Fensterkontakte einbauen – beim Öffnen der Fenster schließen sich die Heizungsventile automatisch.

Die Erfolge lassen sich nachweisen: Der Energieverbrauch ist in den vergangenen Jahren nicht gestiegen, obwohl die Zahl der Veranstaltungen massiv zugenommen hat. Ein energiesparender Geschirrspüler und die Reduzierung der Lampen im Flur taten ihr Übriges. Seit 2011 konnten so rund 4.500 Euro an Strom- und Gaskosten gespart werden. Auch die Sensibilisierung der Gemeinde ist gelungen. Wenn doch mal jemand vergessen hat, das Licht auszuschalten, heißt es nun: „Da kräht wieder der Grüne Hahn“.

Für Verbrauchsmaterial wie Putzmittel oder Kopierpapier gibt es Beschaffungsrichtlinien. Die Gemeinde kauft vorrangig Produkte mit anerkannten Gütesiegeln („Blauer Engel“, „Transfair“), regionale Geschäfte sollen bevorzugt werden. Naturschutz ist ein weiterer Schwerpunkt. Zuletzt pflanzte das Umweltteam Blühstreifen für Schmetterlinge und Wildbienen, beim Gemeindefest wurden mit Kindern und Eltern Insektenhotels gebaut. Die Mitglieder des „Grünen Hahn“ organisieren Vortragsveranstaltungen und berichten regelmäßig im Gemeindebrief von ihrer Arbeit. Und sie blicken über den eigenen Kirchturm hinaus: „Wir haben kürzlich ein paar Fragen zur ökologischeren Bepflanzung des städtischen Friedhofs gestellt“, sagt Fritzi Lorenz.

Lothar Veit

Neuer Kurs "Der Grüne Hahn" startet

Das Arbeitsfeld Umwelt- und Klimaschutz im Haus Kirchlicher Dienste bietet einen neuen Ausbildungskurs zum Aufbau des Umweltmanagementsystems „Der Grüne Hahn“ an. Der Kurs beginnt mit einem zweitägigen Auftakt (Samstag/Sonntag, 31. August/1. September 2019) im Hanns-Lilje-Haus in Hannover. In den nächsten zwölf Monaten folgen noch drei einzelne Tage in einer der teilnehmenden Kirchengemeinden und im Frühjahr 2020 ein weiterer zweitägiger Kurs. Anmeldungen sind noch bis Mitte August 2019 möglich.

"Der Grüne Hahn"

Das kirchliche Umweltmanagementsystem „Der Grüne Hahn“ ist in der hannoverschen Landeskirche im Jahr 2007 eingeführt worden; begleitend zu den Beschlüssen der Landessynode zum Klimawandel und zur CO2-Reduktion. Das Klimaschutzkonzept der Landeskirche empfiehlt Kirchengemeinden nachdrücklich, den „Grünen Hahn“ einzuführen.

Seit 2007 haben dies rund 50 Kirchengemeinden getan. Das Arbeitsfeld Umwelt- und Klimaschutz im Haus Kirchlicher Dienste bietet dazu regelmäßig Schulungen an. Diese sind insgesamt siebentägig, etwa über ein Jahr verteilt. In zwei Wochenend- und drei Samstags-Veranstaltungen wird das notwendige Handwerkszeug vermittelt, um parallel zur Schulung in der Kirchengemeinde das Umweltmanagementsystem aufzubauen.

Die Landeskirche bezuschusst die Schulungen und Beratungen sowie die Zertifizierung nach der europäischen EMAS-Richtlinie, so dass eine Kirchengemeinde in der Regel mit einem Eigenbeitrag von ca. 500 Euro bis zur Zertifizierung auskommt. Seit Mai 2015 werden zudem Kurse zum Umweltmanagement für kirchliche Friedhöfe angeboten.