Startseite Archiv Tagesthema vom 11. März 2019

Riskant und atemberaubend - Ausgezeichnete Jugendandachten

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Philo Hirte aus Hannover gewinnt Jugendandachtspreis der Landeskirche

Zum zweiten Mal wurde im altehrwürdigen Kloster Loccum am Sonntag (10. März 2019) der Jugendandachtspreis der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers verliehen. Das Thema, ein Bibelvers, war zuvor über eine Abstimmung bei Instagram ermittelt worden: „Wo der Geist Gottes ist, da ist Freiheit.“ (2. Korinther 3,17). Den mit 1.000 Euro dotierten ersten Platz belegte Philo Hirte (17) aus Hannover. Platz zwei und 500 Euro gingen an eine Gruppe von ehemaligen Konfirmandinnen und Konfirmanden aus der Kirchengemeinde Eime (Kreis Hildesheim). Den dritten Platz und je 300 Euro teilten sich Merle Mörchen (15) aus Buxtehude und Nele-Marie Hagen (18) aus Diepholz.

Rund 300 Gäste waren zu dem Festakt in das mehr als 850 Jahre alte Gotteshaus gekommen, bei dem vor allem die Worte wärmen mussten – die Heizung war an dem Tag ausgefallen. Der feierlich-fröhlichen Stimmung tat dies keinen Abbruch. Dafür sorgte auch der musikalische Stargast des Abends: Philipp Poisel („Wo fängt dein Himmel an?“) spielte exklusiv für die Preisträgerinnen und Preisträger und ihre Angehörigen.

Für Wettbewerbsorganisator Pastor Mathis Burfien ist der Andachtspreis ein wichtiger Teil der theologischen Nachwuchsförderung. Die Gewinnerin von 2016, Julia Schönbeck, studiert inzwischen Theologie. Waren es seinerzeit bei der Premiere noch 26 eingereichte Arbeiten, so hat sich die Zahl nun fast vervierfacht: Insgesamt 94 Andachten hat die Jury gesichtet. „Ich möchte gerne jungen Menschen Mut machen und sie darin unterstützen, eine eigene Sprache für ihren Glauben zu entwickeln“, sagt Pastor Burfien.

Für den Gewinner Philo Hirte steht indes ein Theologiestudium nicht zur Debatte: „Gott als Wesen ist mir suspekt. Ich glaube aber, dass Gott in den Menschen ist.“ In seiner Andacht „Die Veränderung meines Lebens“ erzählt Philo Hirte sehr persönlich davon, wie er „in Gefangenschaft“ geraten ist, als Suizidgefährdeter „eingesperrt in eine geschlossene Psychiatrie“. Von der Anwesenheit Gottes sei zunächst nichts zu spüren gewesen. Doch dann habe der Schüler, der aktuell in einer therapeutischen Wohngruppe des Stephansstiftes in Hannover lebt, Gott in den Menschen gespürt, die ihm „mit ganz normalen Gesprächen“ Hoffnung gaben. Laudator Joachim Lau (Evangelische Medienarbeit) nannte die Andacht „riskant und atemberaubend“. Doch obwohl Philo Hirte von sich selbst spreche, habe er auch seine Zuhörerinnen und Zuhörer im Blick und mache ihnen Mut.

Die knappe, schnörkellose Sprache erinnert an die Form des Poetry Slam, mit der Philo Hirte mehr Erfahrung hat als mit Andachten, wie er freimütig zugibt. Während eines Praktikums bei einer Religionspädagogin habe er von dem Wettbewerb erfahren.

„Ich habe nach einem Zeitpunkt in meinem Leben gesucht, wo ich keine Freiheit mehr hatte. Da fiel mir natürlich als erstes die Zeit in der geschlossenen Psychiatrie ein,“ beschreibt Philo Hirte wie er an das Thema Freiheit herangegangen ist. Gott sei bei dem ganzen Vorbereitungsprozess zunächst nur von geringer Bedeutung gewesen, so Philo Hirte, „doch dann fragte ich mich doch: Wo war er?“ So sei der Leitfaden für seinen Text entstanden. „Später fand ich die Antwort: Gott ist in den Menschen, in jeder einzelnen Tat.“

Einen ganz anderen „Sound“ hat die Andacht der Zweitplatzierten aus Eime. Grundlage war der selbst erarbeitete Vorstellungsgottesdienst der Konfirmanden, die das Thema Lego in den Mittelpunkt stellten: „Wir haben Gott irgendwann von unseren Eltern oder anderen Menschen vorgesetzt bekommen. Wie so ’ne Kiste mit Lego: Hier, kannste spielen!“, heißt es in dem Text. „Und bei Gott und bei Lego ist es dann allein unsere Sache, was wir damit machen.“ Mit oder ohne Anleitung, das könne man frei entscheiden. Doch Freiheit heiße nicht Beliebigkeit: „Es braucht nämlich ein wirklich stabiles Fundament, wenn ich etwas bauen will.“

Wolfgang Blaffert (Landesjugendpfarramt) zeigte sich in seiner Laudatio begeistert von der Gesamtkonzeption, zu der auch eine Lego-Umdichtung des berühmten Kirchenliedes „Danke“ gehörte. Als Eike Marten Damerau die Andacht für sein Team eingereicht habe, sei er erst 14 gewesen. „Da können wir ja noch einiges erwarten“, so Blaffert.

Gleiches gilt für Nele-Marie Hagen (18), für die bereits feststeht, dass sie Theologie studieren will. Doch erst steht noch das Abi bevor, dann will sie ein Jahr in Israel verbringen. Die Worte ihres Laudators Jochen Arnold (Direktor des Michaelisklosters Hildesheim – Zentrum für Gottesdienst und Kirchenmusik) dürften sie noch lange begleiten. Er sei berührt, wie offen Nele-Marie Hagen mit ihren Ängsten und selbst errichteten Grenzen umgeht – und dann zu dem Schluss komme: Gott vertraut mir doch auch. „Martin Luther hätte das heute vielleicht so ähnlich gesagt. Aber es sind die Worte von Nele-Marie Hagen, einer guten zeitgenössischen Theologin“, lobte Arnold.

Die Preisträgerin von 2016, Julia Schönbeck, würdigte die Arbeit der zweiten Drittplatzierten Merle Mörchen und vor allem ihre Naturschilderungen: „Ich spüre die Wiese, auf der Du Deine Andacht feiern willst.“ Sie sei beeindruckt, wie die 15-Jährige alltägliche Momente mit biblischen Geschichten verbunden habe. Dabei war Merle Mörchen zunächst ganz pragmatisch herangegangen: Sie hatte sich mit der Definition des Duden auf das Thema Freiheit eingestimmt.

Neben den Hauptpreisen vergab die Jury Sonderpreise für die Plätze 4 bis 30: je einen hochwertigen Kopfhörer und 100 Euro.

Für Jury-Mitglied Jochen Arnold zeigt die hohe Beteiligung, „dass wir mit dem Freiheitsbegriff offenbar einen Nerv getroffen haben – auch all jener, die auf der Suche sind“. Zugleich scheine die kirchliche Jugendarbeit „frommer“ zu werden; aktuelle Jugendstudien sprächen von einer „Generation Worship“. Junge Leute wollten die befreiende Botschaft der Bibel erfahren und teilen. „Damit öffnen sie auch für uns als Kirche neue Horizonte. Was sie sagen, ist relevant und glaubwürdig“, betonte Arnold.

Wie kann die Kirche zukunftsfähig werden? Das ist auch das Thema der Jurorin und Architektin Gesche Grabenhorst. Als besonderes Bonbon erhalten die Gewinner des Andachtspreises eine Neugestaltung ihres Jugendraumes. Wie das genau aussehen kann, vermag Grabenhorst noch nicht zu sagen: „Wir haben den Gemeinden einen umfangreichen Fragenkatalog geschickt, danach beginnen wir mit der Planung.“ Die Professorin in Bielefeld wird sich im nächsten Semester mit ihren Studierenden an die konkrete Umsetzung machen.

„Mit jedem deiner Fehler lieb’ ich dich mehr“, sang Philipp Poisel in das kalte Kloster hinein. Die Kirche meinte er damit nicht. Im Gegenteil: Viele seiner Texte könnten auch gut in eine Andacht passen, wie nicht nur Veranstalter Mathis Burfien meinte. Auf dessen Frage, ob das Gebet in Philipp Poisels Leben eine Rolle spiele, sagte der Sänger: „Ja, auf jeden Fall.“

Lothar Veit