Startseite Archiv Tagesthema vom 22. September 2018

Gemeinschaft haben ohne zu hören

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Andacht zum 17. Sonntag nach Trinitatis

Mitten in der Menschenmenge: er sieht die anderen um sich herum, sie reden, sie rufen, sie streiten und lachen. Er kann sie nur leider nicht verstehen. Denn er ist taub. Freunde haben ihn mitgenommen, doch im Trubel der Ereignisse haben sie wieder mal vergessen, dass er ausgeschlossen bleibt, wenn sich niemand ihm direkt zuwendet, deutlich und langsam zu ihm spricht und mit den Händen zeigt, was er meint. Schmerzlich, so mitten drin und doch allein zu sein!

Da kommt Jesus direkt auf ihn zu und nimmt ihn an die Seite. Endlich hat einer kapiert, was er braucht! Endlich nimmt sich einer Zeit und Raum für ihn. Und das ist nicht irgendeiner. Jesus sieht ihn an und berührt ihn, befreit ihn aus seiner Stille und hebt die Grenze zwischen ihm und den anderen auf. Ein neues Leben fängt an.

Christus Jesus hat dem Tode die Macht genommen – so steht es im 2. Timotheusbrief. Für den Tauben aus dem Markusevangelium war die Begegnung mit Jesus sicher der erste Schritt in diese Richtung, ein Erlebnis wie eine Auferweckung.

Doch die anderen Betroffenen mussten über Jahrhunderte oft vereinzelt und sprachlos in ihrer eigenen Welt bleiben. Wie sollte man mit einem tauben Kind oder Erwachsenen sprechen - geschweige denn ihn heilen? Hörende dachten sich Zeichensysteme aus, die sich aber nicht durchsetzen konnten, denn sie entsprachen nicht dem Denken der Gehörlosen. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts rief der Berliner Eduard von Fürstenberg, der selbst nicht hören konnte, die „Berliner Kirchenfeste“ ins Leben. Aus ganz Deutschland kamen taube Menschen in Berlin zusammen und erlebten: sie konnten mit anderen Gemeinschaft haben auch ohne zu hören!? Ihre Sprache, die Gebärdensprache, verbindet sie und ist endlich seit Beginn dieses Jahrtausends anerkannt und kann auch von Hörenden erlernt werden.

Taubheit bedeutet nicht mehr Isolation und Sprachlosigkeit! Vereine entstanden überall in Deutschland und mit den Vereinen Gehörlosengemeinden. Zu ihnen gesellen sich auch Menschen, die mal gehört haben und ertaubt sind. Sie alle reden mit den Händen.

Am 22. September.2018 ist in Niedersachsen der Tag der Gehörlosen. Einmal im Jahr lädt der Gehörlosenverband Niedersachsen ein zum großen Treffen mit Vorträgen und Diskussion, Info-Ständen zum Leben und zur Kultur gehörloser Menschen und zum Wiedersehen mit alten Bekannten. In diesem Jahr ist Lüneburg der Ort der Veranstaltung. Die Gebärdenkirche in Niedersachsen ist mit einem Stand dabei.

Pastorin Christiane Neukirch

Der aktuelle Wochenspruch in Gebärdensprache

Der Bibeltext

Jesus verließ das Gebiet von Tyrus wieder und kam über Sidon an den See von Galiläa, mitten in das Gebiet der Dekapolis. Da brachte man einen Taubstummen zu Jesus und bat ihn, er möge ihn berühren.

Er nahm ihn beiseite, von der Menge weg, legte ihm die Finger in die Ohren und berührte dann die Zunge des Mannes mit Speichel;  danach blickte er zum Himmel auf, seufzte und sagte zu dem Taubstummen: Effata!, das heißt: Öffne dich!  Sogleich öffneten sich seine Ohren, seine Zunge wurde von ihrer Fessel befreit und er konnte richtig reden.

Jesus verbot ihnen, jemand davon zu erzählen. Doch je mehr er es ihnen verbot, desto mehr machten sie es bekannt. Außer sich vor Staunen sagten sie: Er hat alles gut gemacht; er macht, dass die Tauben hören und die Stummen sprechen.

Markus 7, 31-37