Startseite Archiv Tagesthema vom 06. September 2018

Mit der Kirchenbank auf dem Wochenmarkt

Die vollständige Darstellung von Archivmeldungen befindet sich noch im Aufbau. Schauen Sie in Kürze noch mal vorbei!

Aktion von Gemeinde und Lebensberatung in Langenhagen

Drei Kirchenbänke stehen am Dienstag, dem traditionellen Markttag in Langenhagen (Region Hannover), in zweiter Reihe hinter den Obst- und Gemüseständen. Drei Menschen sitzen darauf, neben ihnen ist noch Platz: Pastorin Sabine Behrens von der Langenhagener Emmaus-Kirchengemeinde, Bürgermeister Mirko Heuer und Birgit Baumann, Mitarbeiterin der Lebensberatungsstelle. Zwischen den Marktständen weisen Bernd Buchholz und Miriam Temme auf die Kirchenbänke hin und halten Postkarten mit einer Einladung zum Platznehmen bereit.

Hedwig Kuhl, eine alte Dame aus Langenhagen, die ihre Einkäufe auf dem Markt erledigt hat, setzt sich als erste – sie wählt den Platz nehmen Mirko Heuer. Aufmerksam hört der Bürgermeister zu, macht sich ein paar Notizen, nickt zustimmend, fragt nach. Hedwig Kuhl hat ein ganz konkretes Anliegen: Zwei Ampeln und deren kurze Grünphase für Passanten machen es ihr schwer, zum nächsten Lebensmittelmarkt zu gelangen. „Alte Leute können einfach nicht mehr so schnell laufen“, sagt sie. Abhilfe verspricht der Bürgermeister an diesem Tag nicht, aber alle, die neben ihm Platz nehmen, können sicher sein, dass er gut zuhört.

Birgit Baumann und Sabine Behrens hören etwas andere Geschichten: von Krankheit und Durchhaltewillen, von fehlendem Gemeinsinn, von Erlebnissen mit der Familie und in der Stadt. Auch sie hören genau hin, fragen nach und behalten das Gehörte im Kopf. Am nächsten Sonntag wollen sie in der Emmaus-Kirche von dem Gehörten berichten und es im Gottesdienst thematisieren. Dann werden auch Vertreterinnen der Polizei, des Seniorenbeirates und der Wohnungsbaugesellschaft KSG von dem berichten, was ihnen zu Ohren gekommen ist: Die drei Kirchenbänke vom Marktplatz werden in der Woche der Diakonie ein zweites Mal auf einem Spielplatz in Wiesenau aufgebaut. 

Jede erlebte Geschichte ist es wert, gehört zu werden – davon sind Pastorin Behrens und Bernd Buchholz von der evangelischen Lebensberatungsstelle in Langenhagen überzeugt. „Sehr oft aber bleiben diese Geschichten unerzählt und ungehört, oder aber sie werden mit Abwehr aufgenommen: ‚Das ist ja unerhört!‘, heißt es dann“, sagt die Pastorin.

Überzeugend findet Behrens vor diesem Hintergrund die aktuelle Kampagne „Unerhört! #zuhören“ der Diakonie in Deutschland, der sich auch der Diakonieverband Hannover-Land angeschlossen hat. Gemeinsam mit dem Team der Lebensberatungsstelle, die im Langenhagener Stadtteil Wiesenau in direkter Nachbarschaft zur Emmaus-Kirche einen Standort hat, entwickelte Behrens für die Woche der Diakonie ein Format, das das Zuhören würdigt: analog und direkt, ohne Einschränkung der Themen und ohne Kommentierung.

Andrea Hesse

Die Kampagne

Die Diakonie Deutschland wirbt mit ihrer  Kampagne für eine offene Gesellschaft: Viele Menschen haben heute das Gefühl, nicht gehört zu werden. Sie fühlen sich an den Rand gedrängt, Gerechtigkeit droht auf der Strecke zu bleiben. Doch jede Lebensgeschichte hat ein Recht darauf, gehört zu werden. 

Die Kampagne, die von 2018 bis 2020 laufen soll, will wachrütteln und zugleich aufzeigen, dass die Diakonie zuhört, Lösungen bereithält und eintritt für eine offene und vielfältige Gesellschaft. Die Diakonie will diese Diskussion anstoßen und führen, sie will zur Plattform für einen Diskurs rund um soziale Teilhabe werden.