Startseite Archiv Tagesthema vom 02. Juli 2018

Ein Fest für Margot Käßmann

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Frühere Bischöfin wird in den Ruhestand verabschiedet

"Das ist ja wie Weihnachten", sagt Jens Steinmann mit Blick auf die lange Schlange vor der Martkirche im Herzen von Hannover. "Wenn Frau Käßmann predigt, zieht sie die Massen an." Der Verkäufer der Straßenzeitung "Asphalt" kennt sich aus, vor der Kirche ist seit Jahren sein Stammplatz. Noch einmal tritt die wohl prominenteste Theologin der evangelischen Kirche am Sonnabend auf die Kanzel der Kirche, in der sie am 4. September 1999 als damals jüngste Bischöfin in Deutschland eingeführt wurde. Käßmann, die am 3. Juni 60 Jahre alt geworden ist, wird mit dem Gottesdienst in den Ruhestand verabschiedet.

Neben Prominenz aus Kirche und Politik sind viele Wegbegleiter der früheren Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) unter den rund 800 Gästen in der gotischen Backsteinkirche. Er habe mit Käßmann viel erlebt - Höhen und Tiefen, sagt der frühere hannoversche Synodenpräsident Jürgen Schneider. "Jetzt ist es mir wichtig, einen schönen Schlusspunkt zu setzen." 

Vor der Kirche verfolgen noch einmal einige hundert Menschen den Gottesdienst auf einer Leinwand - bei strahlendem Sonnenschein nach Möglichkeit unter einem der aufgespannten Sonnenschirme. Wie bei Käßmanns Einführung gibt es auf ihren Wunsch ein Fest zwischen Altem Rathaus und Marktkirche. Bei Ingrid Robens, die auf einer der Bänke Platz genommen hat, kommt das gut an. "Kirche sind wir alle und nicht nur die Prominenz", sagt sie. "Das war Frau Käßmann immer sehr wichtig."

Vor der Kirche sitzen Menschen, die die beliebte und zugleich umstrittene Theologin schätzen. "Sie hat sich nicht gescheut, unangenehme Themen klar anzusprechen, hat Kritik eingesteckt und Position bezogen, zum Beispiel zum Afghanistan-Einsatz", sagt Michaela Meier, die aus dem Osnabrücker Land angereist ist. Auch den Schritt der damaligen EKD-Ratsvorsitzenden, nach einer Fahrt unter Alkoholeinfluss im Februar 2010 nach nur wenigen Monaten im Spitzenamt der evangelischen Kirche zurückzutreten, bewundert Meier. "Das hätte sonst kaum ein Politiker oder Kirchenvertreter getan."

Käßmann bleibt sich bei ihrem Abschied treu. Sie spricht in ihrer Predigt von Hoffnung und ermutigt zum Engagement für Frieden und Gerechtigkeit. "Anders als all die Schlechtredner, Miesmacher, Gewaltandroher, Rassisten, Menschenrechtsverächter und Freiheitsfeinde werden wir die Vision vom Gelobten Land immer wieder umsetzen in kleinen Schritten", sagt sie. Beifall brandet auf, als sie spontan auf die Stimmung draußen vor den Kirchenmauern reagiert. Ein Spielmannszug auf der Straße übertönt die Worte, in Hannover ist Schützenfest. 

Der heutige hannoversche Landesbischof Ralf Meister würdigt schließlich seine Amtsvorgängerin als "Frau mit einem außerordentlichen Charisma". Sie habe etablierte Modelle hinterfragt und sprühend neue Ideen und Positionen hineingetragen, sagt der Bischof unter Applaus. Käßmann war zuletzt als Botschafterin der EKD für das Reformationsjubiläum im Einsatz. Michaela Meier im Publikum vor der Marktkirche zeigt sich überzeugt: "Sie wird eine große Lücke hinterlassen."

Nach dem Gottesdienst geht das Fest mit Musik von Dieter Falk und seiner Band vor der Kirche weiter. In einem Talk auf der Bühne blickt Käßmann auf ihre Amtszeit zurück und zugleich nach vorn. Im Ruhestand will sie erst einmal ein halbes Jahr lang keine Vorträge oder Gottesdienste halten. Gerade ist ihr sechstes Enkelkind unterwegs, langweilig werde ihr nicht werden, versichert sie.

Für die in Hannover ansässige Deutsche Stiftung Weltbevölkerung und die Deutsche Friedensgesellschaft will sie sich aber weiter engagieren. Auch als Buchautorin will Käßmann weiter aktiv sein. Gerade erst hat sie das Manuskript eines Buches über das Älterwerden bei ihrem Verlag abgegeben. Der Titel: "Schöne Aussichten". 

Karen Miether und Michael Grau (epd)

Tschüß Margot Käßmann!