Startseite Archiv Tagesthema vom 16. April 2018

"Da sind wir als Christen gefragt!"

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Flüchtlingsprojekt in Südafrika will Sprachbarrieren überwinden

Es ist Samstag, ich bin in der St. Peter’s Gemeinde in Pretoria. Diese Gemeinde ist der Standort des Projektes, das hier RMM heißt: Refugee & Migrant Ministry. Ich werde in Empfang genommen von Pastorin Rosalie Madika, der Projektleiterin, Pastorin Heike Jakubeit, der Gemeindepastorin, dem Küster Andreas Schlag und dem Leiter der Unterstützer-Gruppe, Dan Motoma.

Schon in der ersten Gesprächrunde werden zwei Dinge deutlich: Dies ist ein Projekt, das genau den notwendigen Kern trifft, um effektiv zu sein. Und: Die Leiterin und die, die sie unterstützen, machen das mit Herzblut!

Als ich Pastorin Jakubeit frage, warum sie ihre Gemeinde für das Projekt geöffnet hat, kommt es ohne Zögern: „Die frankophonen Geflüchteten werden von niemandem hier wirklich wahrgenommen, weil sie sich nicht verständlich machen können! Sie sind nicht nur auf der Flucht, sie sind hier auch sprachlos! Meine Eltern sind beide nach dem Krieg in Deutschland geflüchtet. Ich habe erlebt, was es für sie hieß, keine Heimat zu haben und Hilfe zu benötigen. Da können wir nicht zuschauen, da sind wir als Christen gefragt!“

Küster Andreas Schlag sieht sich als Arbeiter für seine Gemeinde und auch der Geflüchteten. Er stimmt mit ein: „Ich kenne es ebenfalls aus meiner Familie. Ich stamme aus Berlin und meine Mutter war Flüchtling. Das wünscht man keinem, in einer solchen Situation sich nicht einmal verständigen zu können. Da müssen wir mit anfassen!“ 

Pastorin Rosalie Madika ist selbst geflohen mit ihrer Familie. Zunächst nur mit ihrer jüngsten Tochter. Den Mann und die älteren Kinder musste sie zurücklassen. Sie weiß, was es heißt, auf der Straße zu leben, keine Dokumente zu haben, hilflos der Willkür anderer ausgeliefert zu sein. Jetzt ist sie angekommen in Pretoria, in der Gesellschaft. Warum? Sie hatte das Glück, das jemand ihr geholfen hat, sich selbst zu helfen, Sprache zu lernen, ihren Weg zu gehen. Inzwischen ist die Familie wieder  zusammen. Sie gehen ihren Weg gemeinsam in die Zukunft, integriert. Jetzt  will sie anderen helfen.

Dan Motoma ist es gewohnt, zu leiten, Verantwortung zu übernehmen. „Klar, dass ich, dass wir als Gemeinde mit unseren Gaben das Projekt unterstützen. Wir haben Menschen mit Begabungen, die stehen bereit!

Unterschiedlicher können die Menschen kaum sein, die sich hier zusammenfinden. Vereint sind sie in dem Mut, etwas auszuprobieren, bei dem andere fragen: „Wie wollt ihr das schaffen?“ Und in der Tat, dass sich bisher niemand dieser Gruppe von Geflüchteten angenommen hat, liegt daran, dass die Sprachbarriere vieles schwerer macht. Mir kommt zwischendurch immer wieder Deutschland in den Sinn. Was haben Geflüchtete bei uns, was haben wir immer wieder für Schwierigkeiten, weil beide Seiten sich nicht verständigen können. Auch wir stehen oft vor enormen Herausforderungen. 

Weder Dan noch Pastorin Jakubeit, Küster Schlag und schon gar nicht Rosalie gehen in Südafrika einen Weg ohne eigene Herausforderungen. Gerade deshalb, so scheint es mir, wollen sie dieses Projekt! Und dann höre ich Pastorin Rosalie: „Es kommen erst wenige, aber es werden immer mehr! 

Es spricht sich herum, dass hier eine Anlaufstelle ist, die es sonst nirgendwo gibt. Das ist unser Reichtum: die Möglichkeit sprachfähig und damit eigenständig zu machen!“ Dann erzählt sie: „Neulich kam wieder eine Schwangere zu mir. Der Mann im Krieg gefallen, sie auf sich gestellt, hilflos, weil keiner sie versteht! Ihr steht Hilfe zu, auch medizinische. Aber woher soll sie das wissen? Wir haben kein Geld zu geben, aber wir vermitteln sie dorthin, wo sie Hilfe bekommt. Meistens sind es Frauen, oft mit Kindern. Oft kommen sie schon morgens. Wir gehen mit Ihnen zu den Behörden, damit sie registriert werden, Papiere bekommen.

Pastorin Rosalie weiß, was nötig ist um zu helfen. Sie hat viele Ideen, sie erklärt.
Aber sie redet nicht nur, sie handelt! Sie geht selbst an freien Tagen auf die Straße und verteilt französisch-sprachige Flyer um Geflüchtete aufmerksam zu machen auf das Projekt. 
Sie netzwerkt! Sie erkundigt sich bei anderen Projekten nach Möglichkeiten der Zusammenarbeit, sie sucht mit „MamaMakwakwa“,  einer medizinisch kompetenten Frau aus der Gemeinde Krankenhäuser, Kliniken und Ärzte auf und bittet um Aufnahme und Behandlung von Geflüchteten.
Sie hört zu! Sie versteht! Wenn Frauen, Kinder und Männer kommen und nicht weiterwissen. 

Es ist Montag, ich bin bei der ELCSA NT, bei Bischof Müller. Wir kommen schnell auf das Projekt. Wie sieht er es, als jemand, der das in seine Kirche integrieren muss? 

„Ich muss das Projekt nicht integrieren, ich will es integrieren! Natürlich kann das auch schiefgehen. Aber wir in unserer Kirche haben so viele Erfahrungen damit, aufeinander zuzugehen, miteinander füreinander zu gestalten und einzutreten. Wer, wenn nicht wir, sollte es wenigstens versuchen?“ Dann zeigt er mit dem Finger auf die Karte: „Hier, hier ist die St. Peter’s Gemeinde. Hier gibt es viele frankophone Geflüchtete. Wenige Kilometer nur entfernt von der Ausländerbehörde. Und doch oft unerreichbar, weil sie nicht wissen, dass sie dort hingehen müssen. Selbst wenn sie dort sind, können sie keinen Antrag stellen, allein, weil sie die Dokumente nicht lesen und damit auch nicht ausfüllen können!“ Ich frage: „Damit sie in Südafrika ankommen können?“ „Nein“ sagt Bischof Müller. „In Südafrika kommt man nicht an, es gibt immer wieder Herausforderungen. Aber man ist auf dem Weg. Die Geflüchteten sollen nicht am Straßenrand liegen, sondern auf dem Weg sein!“ 

Auf diesen Weg gebracht werden sie durch Pastorin Rosalie Madika Es wird deutlich: sie ist als Leiterin das überzeugendste „Aushängeschild“ das es gibt. Sie hat all das selbst erlebt, bei dem sie jetzt anderen hilft. Sie verbindet persönliche Erfahrung, umfangreiches Wissen, seelsorgerliche Begegnung und geistliche Heimat miteinander. Ich frage mich zwischendurch immer mal wieder, wie sie das aushält, gerade wenn sie von den Parallelen zu ihrer eigenen Vergangenheit erzählt, die ihr immer wieder begegnen. Und dann strahlt sie plötzlich über das ganze Gesicht, lacht und sagt: „I am so thankful, that I can do this project! This is where I am supposed to be!“ - „Ich bin so dankbar, dass ich dieses Projekt durchführen kann. Hier gehöre ich hin!“ Und ich glaube es ihr ohne jedes Zögern. – Kommenden Samstag wird sie den ersten Gottesdienst in französisch mit diesen Geflüchteten feiern. Ich werde hingehen!

Michael Schultheiß

Über den Autor und das Projekt

Regelmäßig besucht Michael Schultheiß für das Ev.-luth. Missionswerk in Niedersachsen die Partnerkirchen, Partner und Projekte in Südafrika. Dieses Mal freut er sich besonders darauf, denn Anfang des Jahres hat ein neues  Projekt begonnen, in dem es um die Flüchtlinge aus dem frankophonen Afrika geht. Das ELM und die Landeskirche Hannovers unterstützen die ELCSA NT bei diesem Projekt finanziell.

Die Geflüchteten sprechen weder Enlisch noch eine andere lokale Sprache und können sich aufgrund dieser Barriere nicht verständigen und integrieren. Da setzt das Projekt an und will Unterstützung bieten. 

Über das Missionswerk

„Grenzen überschreiten – Gottes Liebe erleben – Für eine gerechte Welt eintreten“: Für diesen Dreiklang steht das Ev.-luth. Missionswerk in Niedersachsen (ELM Hermannsburg) in seinem Engagement. Dahinter steht die Überzeugung des ELM: „Nur gemeinsam sind wir stark. Denn ohne helfende Hände, ohne gleich gesinnte Freunde, ohne mitfühlende Worte, kommen wir nicht weit.“

Deshalb arbeitet das 1977 gegründete ELM Hermannsburg für ein starkes weltweites Miteinander in einem Netzwerk aus 23 evang. Kirchen in 19 Ländern auf vier Kontinenten  zusammen. Mit Gemeinden und Freundeskreisen in Europa, Afrika, Asien und Lateinamerika. 

ELM