Es ist 06.30 Uhr und Max Medienmanns Wecker-App seines Smartphones klingelt. Kaum sind die Augen auf, hat er schon das Gerät in der Hand. Warum dann nicht gleich die WhatsApp-Nachrichten lesen und Facebook aktualisieren? Später, beim Schritt aus der Haustür prüft er mit einem obligatorischen Griff in die Jackentasche, ob er das Handy dabei hat -schließlich will er erreichbar und auf dem aktuellsten Stand der Dinge bleiben.
Ob am Smartphone, vor dem Computer oder am Fernseher - seit Beginn des digitalen Zeitalters sind die modernen Medien omnipräsent im Alltag - so wie hier bei der Figur Max Medienmann. Doch was passiert, wenn sich das Leben nur noch um den Medienkonsum dreht? Bis wohin ist der Gebrauch von Medien unbedenklich und ab wann gefährlich?
„Die exzessive Mediennutzung“, erklärt Katja Bosse, Präventionsfachkraft für Mediensucht, „ist etwas Neues, das es so in unserem Alltag noch nicht lange gibt. Wer mediensüchtig ist, zeigt oftmals Verhaltensweisen bislang bekannter Suchtformen auf, wie z.B. den Kontrollverlust über die Zeit oder die Vernachlässigung des Freundeskreises.“ Katja Bosse arbeitet bei der Fachambulanz Goslar der Lukas Werk-Gesundheitsdienste. Seit mehr als 45 Jahren werden dort von Sucht betroffene Menschen beraten, seit drei Jahren auch zu Mediensucht. Dieser Begriff fasst die exzessive Nutzung einzelner oder mehrerer neuer elektronischer Medien zusammen. Der Unterschied zwischen einer intensiven Mediennutzung und einer Medienabhängigkeit liegt in der Intensität und den Auswirkungen auf das reale Leben der Nutzerinnen und Nutzer, aber auch in der Motivation.
Es bleibe schwierig, festzulegen, ob Mediensucht generell eine Abhängigkeitskrankheit oder ein Symptom für eine andere psychische Erkrankung sei, sagt Bosse. So kann es sein, dass sich die Betroffenen aufgrund sozialer Ängste, Depressionen oder Alltagsschwierigkeiten in das Medium flüchten oder die exzessive Nutzung die Ängste, Depressionen oder Alltagsschwierigkeiten sogar erst auslöst. Insbesondere Online-Rollenspiele oder soziale Medien können eine hohe Abhängigkeit erzeugen. „Man baut sich dort selbst etwas auf, agiert mit anderen und kann sich einen Avatar schaffen, der so sein kann, wie man eigentlich selbst sein will“, sagt Bosse. „Um das Spiel dann zu beenden, muss man sich auch von ihm trennen, nachdem er lange präsent war und zu einem Teil von einem Selbst geworden ist. Das hat auch was von Trauerarbeit.“ Zum Erfolg zu kommen sei in der digitalen Welt schneller und mit weniger Aufwand zu erreichen als im realen Leben, wo zum Beispiel lange für einen sportlichen Erfolg trainiert werden muss, ohne dass Gewissheit über einen Erfolg besteht.