Wegen mehrfacher Brandstiftung sitzt der 18-jährige Andreas seit einem Jahr in der Jugendanstalt Hameln ein. Jetzt steht er mit den Händen in den Hosentaschen noch etwas unschlüssig neben dem Altar im Andachtsraum. "Auch vor meiner Haftzeit hatte ich mal mit der Kirche zu tun und war auch im Konfirmandenunterricht", erzählt er etwas schüchtern. In der Haft besucht er ab und an den Gottesdienst. An diesem Nachmittag findet hier etwas Besonderes statt: Erstmals sind fünf der insgesamt zehn Kandidaten der örtlichen evangelischen Kirchengemeinde Tündern in die bundesweit größte Jugendstrafvollzugseinrichtung gekommen, um sich vorzustellen. Denn am Sonntag sind in Niedersachsen Kirchenvorstandswahlen und Andreas und seine Mitgefangenen können per Briefwahl teilnehmen.
Fünf jugendliche Häftlinge verteilen im Andachtsraum Kaffee und Kuchen an die Gäste und sitzen schließlich im Stuhlkreis zwischen ihnen. Die meisten der ehrenamtlichen Vorstandskandidaten kommen wie Bestatter Thomas Rust direkt von der Arbeit in die Haftanstalt. Er trägt noch seinen schwarzen Anzug. Schnell ist er mit den jungen Häftlingen in einem intensiven Austausch über Tod und Sterben. Der 22-jährige David, der vor drei Jahren wegen einer Schlägerei mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt wurde, hat unter anderem mal in einem Pflegeheim gearbeitet. Er erinnert sich daran, wie schwierig der Umgang mit dem Thema ist. "Man muss dabei auch immer ein Stück die Distanz wahren", sind sich David und der Bestatter einig.
Der 21-jährige Markus, der in zwei Tagen entlassen wird, erzählt, dass er erst während der Haft einen Zugang zum Glauben gefunden hat. Ein Team von Seelsorgern bietet in der Anstalt für die 410 Insassen regelmäßig Gespräche, Gottesdienste oder Workshops an. Kontakt zur Kirchengemeinde hatte Markus bisher nicht. Nach seiner Entlassung werde er sich aber taufen lassen, sagt der junge Mann im grauen Kapuzzenpulli. "Lass mich ich selbst sein" steht in schwarzer Schrift auf der Rückseite seines Sweatshirts.