Startseite Archiv Tagesthema vom 05. März 2018

"Kirche muss von den Adressaten her gedacht werden"

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In Loccum diskutierten Expertinnen und Experten aus Deutschland und Österreich über aktuelle Entwicklungen innerhalb der kirchlichen Berufe.

„Ich fühle mich heute professioneller – und näher dran an dem, was dran ist“ – so bringt Dechant Stephan Lampe aus Seesen seine Erfahrungen mit dem überpfarrlichen Personaleinsatz auf einer aktuellen Tagung der Evangelischen Akademie Loccum  zum Thema „Berufe(n). Kirchliche Rollen neu denken“  auf den Punkt. Seit einigen Jahren arbeitet er als leitender katholischer Pfarrer in einem überregionalen Team mit einer Gemeindereferentin, einem Diakon und zwei weiteren Priestern eng zusammen.

Gemeinsam sind die fünf Profis für drei Kirchgemeinden in über hundert Dörfern zuständig. Immer dienstags um drei kommen sie für ihre wöchentliche Dienstbesprechung zusammen – aus einem über 80 km langen Gebiet zwischen A 7 und A 39. Zwar ist das Modell aus der Not geboren, weil nicht nur die Zahl der Priester, sondern auch die der Kirchenmitglieder kontinuierlich sinkt. Mittlerweile aber zeigen sich auch die Vorteile immer deutlicher: „Die Gemeindeglieder freuen sich darüber, dass sie jetzt auch eine Gemeindereferentin haben“, erzählt Elisabeth Thoben-Heidland, die einzige Frau im Team.

Der überpfarrliche Personaleinsatz war eines von sechs Praxisbeispielen auf der Tagung „Berufe(n). Kirchliche Rollen neu denken“, die vom 21. bis 23. Februar in Loccum stattfand. Es war nach 2014 und 2016 bereits die dritte Tagung, die die  Ökumenebeauftragten der hannoverschen Landeskirche und des Bistums Hildesheim gemeinsam mit dem Arbeitsfeld Missionarische Dienste, mit „Kirche2. Eine ökumenische Bewegung“ und der Evangelischen Akademie Loccum veranstalteten.

Knapp 90 Teilnehmende aus ganz Deutschland und Österreich diskutierten über aktuelle Entwicklungen innerhalb der kirchlichen Berufe angesichts des gesellschaftlichen und kirchlichen Wandels. Ausgangspunkt waren Gesichter und Geschichten, die einen lebendigen Eindruck vermittelten, was sich aktuell verändert. Die evangelische Gemeindekuratorin, die das Gesicht der Kirche vor Ort zwischen Kirchenvorstand und Pfarramt ist Die katholische Beerdigungleiterin, die über 70 Beerdigungen im Jahr gestaltet. Beides Tätigkeiten mit hohem Engagement, Kompetenz und Leidenschaft – jenseits von Hauptamtlichkeit. Da war die Kirchenmusikerin, die die Herausforderungen zwischen etablierter Kirchenmusik und Pop-Kultur in den evangelischen Gemeinden im Zusammenspiel von Haupt- Neben- und Ehrenamt hervorhob. Der betriebswirtschaftlich kompetente Verwaltungsbeauftragte in der katholischen Kirche, der Verwaltungskräfte zur Entlastung der pastoralen Arbeit in den Pfarreien schult.   Und ein  Kulturwissenschaftler, der als Intendant eine evangelische Literaturkirche betreibt.

Klar wurde: Wenn neue Berufe im kirchlichen Raum geschaffen werden, erhöht das oft die Fachlichkeit und Qualität kirchlicher Arbeit merklich. Wo sich Aufgaben zwischen beruflich Tätigen und ehrenamtlich Engagierten verschieben, müssen die Rollen neu sortiert werden.

Der lebendige Austausch zwischen evangelischen und römisch-katholischen Akteur*innen zeigte deutlich, dass es an allen Orten viele Entwicklungen gibt, die mit Leidenschaft und Freude an Veränderungen vorangetrieben werden. Das dies kein neues Phänomen ist, machten kirchengeschichtliche Spotlights deutlich: Berufe sind aufgekommen und dann auch wieder verschwunden. Berufliche Vielfalt hat es schon immer gegeben – als Reaktion auf gesellschaftlichen Herausforderungen und kirchliche Aufbrüche.

 „Kirche muss heute von den Adressaten her gedacht werden“, so Domkapitular Martin Wilk, Leiter der Hauptabteilung Personal und Seelsorge im Bistum Hildesheim. Es gehe darum, Haltungen und Wahrnehmungen zu verändern. Das hat Konsequenzen für die Rolle der Berufstätigen. Sie sind Förderer, Begleiter und Ausbilder für die Christen vor Ort.  Wo diese Verantwortung für Gemeindeleitung, Seelsorge und Beerdigungsdienste übernehmen, brauche es eine andere Sprachregelung als „Ehrenamt“.  

Kirchenrat Helmut Aßmann, verantwortlich für Aus-, Fort- und Weiterbildung in der Evangelisch-lutherischen Landeskirche, sprach sich für eine Spreizung der kirchlichen Berufe aus. Er betonte zugleich, dass Menschen und Botschaft, nicht Strukturen und Berufsbilder entscheidend seien.  Aufgabe der Kirche sei es, Räume zu schaffen, in denen sich die vielfältigen Berufungen der Menschen gestalten können.

Beide waren sich einig: Sendung, Vertrauen und Risikobereitschaft sind die Wegweiser in die Zukunft. So lässt sich Kirche ökumenisch nach vorne denken.

Arbeitsfeld Missionarische Dienste