Sascha Hintzpeter ist Pastor in Drochtersen und hat 2004/2005 seinen Freiwilligendienst in Israel absolviert. Er berichtet über Begegnungen mit Überlebenden der Shoa.
"Eine Hotellobby im nördlichen Tel Aviv. Vor uns spricht ein älterer Herr mit Kippa, einer religiös-jüdischen Kopfbedeckung. Ein Hebräisch mit deutschem Akzent. Wir sind ebenfalls im Gespräch. Auf deutsch. Das bleibt nicht unbemerkt von ihm. Er dreht sich um und fragt interessiert, woher wir seien. Es kommt zum Gespräch, in dem er uns seine Überlebensgeschichte erzählt. Vom Holocaust in der Hotellobby.
Und ich erzähle auch. Von Begegnungen in Israel, die ich während meines einjährigen Freiwilligendienstes erlebt habe. Erleben durfte. Wie ich mir selbst ein kleines Bild dessen machen konnte, wessen heute zu gedenken ist: Der Opfer das Nationalsozialismus. Nun gehe es zurück für mich. Nach Deutschland. Und soviel habe ich im Gepäck: An guten Begegnungen! Und die unguten? Das sind nie Begegnungen geworden. Mit Menschen, denen vor langer Zeit eine Nummer auf den Arm tätowiert wurde. Es ist ihnen nicht zu verdenken, keinem Deutschen mehr begegnen zu wollen.
Eine besondere Begegnung gab es. Mit Helen. Sie stammte aus Karlsruhe. Französische Nichtjuden hatten sie versteckt, damals. Ich lernte sie kennen, weil sie häufig in der Bäckerei aushalf. Diese war an das Kinderheim angegliedert, in dem ich 2004-2005 meinen Freiwilligendienst absolvierte. In der Bäckerei arbeitete Helen ehrenamtlich, bis sie fast neunzig Jahre alt war! Anfangs war sie skeptisch. Wollte keine Deutschen um sich. Dann musste ich Brote ausfahren. Eine Begegnung wider Willen. Wir deutsche Volontäre wussten nicht, was wir tun sollten. Irgendwann veränderte sich etwas zwischen uns und Helen. Irgendetwas musste sie erweicht haben.