Startseite Archiv Tagesthema vom 11. September 2017

Kirche ganz anders - aber in jedem Falle authentisch

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Eine Reise zu freshX nach London

Mit 25 Mitreisenden ist der Amtsbereich Hannover Mitte nach London geflogen, um hier 6 Tage lang die fresh expressions of church (neue Ausdrucksformen von Gemeinde) in der anglikanischen Kirche in England kennenzulernen.
Organisiert wurde die gesamte Reise von Superintendentin Bärbel Wallrath-Peter, Pastor Martin Römer und einem Vorbereitungsteam aus den Mitreisenden.

Bereits lange im Voraus hat Martin Römer (Referent für Missionarische Dienste) die Kontakte zu den Londoner freshX-Gemeinden abgefragt und ein vielfältiges Programm mit dem Vorbereitungsteam zusammengestellt.

Aktuell gibt es in der Diözese London 6 sogenannte missional communities, der freshX-Bewegung. Bis 2020 sollen es nach Fahrplan der Diözese 25 sein. Hinzu kommen zahlreiche Wiederöffnungen geschlossener Kirchen, Schulprojekte aber auch Kunst- und Kulturgemeinden. Dies alles zusammen gehört zu den freshX der anglikanischen Kirche.

Am ersten Abend erläuterte uns Reverend Mark Bishop, was genau die fresh expressions of church ausmacht und schilderte dies eindrücklich an dem Beispiel seiner ersten missional community, wie die neugegründeten freshX Gemeinden genannt werden.

Es begann damit, dass er in einem sozial schwächeren Stadtteil den Müll aus dem Innenhof weggesammelt hat. Irgendwann sprachen ihn Nachbarn darauf an, warum er das tut.

Reverend Mark sagt rückblickend: „Man muss auf eine neue, unerreichte Zielgruppe oder einen neuen Ort zugehen. Man muss in eine Nachbarschaft gehen und zunächst zuhören!“
Seit 5 Jahren ist aus der Aufräumaktion in seiner Nachbarschaft ein Gebet- und Glaubenskreis geworden, der sich als eigene, kleine Gemeinde versteht und das aktiv und offen lebt.

Bischof Rick Thorpe, der die Diözese von London leitet, unterstützt die freshX Bewegung sehr stark, betont Reverend Mark. Und er sagt uns, wie sehr es ihn freut, dass wir aus Deutschland Interesse an der fresh expressions of church Bewegung haben: „Normalerweise kommen wir zu den Leuten, es ist eine Ehre, dass ihr uns besucht.“

Den Abend hat unsere Reisegruppe gemeinsam mit dem hierzu sehr kontraststaktem, alt-anglikanischem Evensong in der St. Paul’s Catheral, der seit 1400 Jahren besteht, abgeschlossen.
Auf dem Flyer des Evensong steht: "Seien Sie nicht überrascht oder verwirrt, wenn Sie nicht sofort alles [vom Ablauf des Evensongs] verstehen. Für einen kurzen Moment treten Sie in den kontinuierlichen Strom des Gebets, der heute angeboten wird und der bis ans Ende der Zeit angeboten wird."

Auch am 2. Tag unserer Fortbildungsreise konnten wir uns von der großen Bandbreite der anglikanischen Kirche überzeugen. Vicar Lesley Bilinda stellt uns ihre Gemeinde als ganz klassische, stadtteilbezogene Kirche vor. Vieles hat sich baulich in der Kirche verändert, so wurde ein Drittel des Gebäudes komplett umgebaut, damit hier Wohnungen entstehen und Räume an die Universität und Bildungsarbeit in der Nachbarschaft vermietet werden können. Aber der Schwerpunkt der Arbeit der Kirchengemeinde ist die soziale Situation in der Nachbarschaft. Es gibt hier eine starke Obdachlosen- und Armenfürsorge. In der Nachbarschaft wächst dadurch stetig das Vertrauen in die unaufdringlich gelebte Nächstenliebe der Kirchengemeinde. Im Vordergrund sthet für Viccar Lesley das Helfen. Ob die Menschen im Anschluss mit ihr beten wollen, ist keine Bedingung für sie.

Am Nachmittag besuchen wir Vicar Jerry Field in St. John’s Hamptonwick, der uns eine ganz andere Form von kirchlichem Leben vorstellt, die sich aber mit vergleichbaren sozialen Problemen konfrontiert sah. Aber anders als Lesley, ist Jerry nicht bereits an einem Collar zu erkennen, er trägt eine alte Jeans, Sneaker und einen Pulli.

 St. John wurde 2008 geschlossen und ursprünglich sollte die Kirche abgerissen werden und Wohnungen entstehen. Die örtliche Diözese hat sich aber überlegt, dass mit Vicar Jerry und seinem Kollegen Pionier-Pastoren eine freshX-Gemeinde gründen sollten. Nach intensiven Vorgesprächen konnte 2010 die Kirche wieder geöffnet werden und es wurden sogenannte Test-Services, also Test-Gottesdienste gefeiert. Vicar Jerry meint hierzu: „Es ist erstaunlich, wie schnell Menschen Visionen verlieren, aber ich sage immer: Veränderung ist hier, um zu bleiben. Behaltet diesen Pionier-Geist.“

Der Gottesdienstablauf hat sich seitdem folgerichtig mehrmals verändert, wurde umgestaltet, Neues wurde ausprobiert. Und auch heute ist es mit Sicherheit nicht eine abgeschlossene Form.

Die Gemeinde von St. John’s ist mittlerweile so groß geworden, dass sie neue church plants, also Gemeindegründungen im Sinne von freshX, unternommen hat.

Vicar Jerry sagt, dass Hören auf die Leute in der Nachbarschaft, das Anbieten von Gebeten und Heilung das gegenseitige Bekennen des eigenen Glaubens gibt der Gemeinden und ihm immer neue Stärke und lässt sie den Geist Gottes spüren.

Lesley und Jerry sind sehr unterschiedliche Menschen. Aber beide sind authentisch, in dem was sie in Ihrem Stadtteilund in ihrer Gemeinden tun. Beide sind Teil der Diözese von London in der Church of England.

Am Sonntag hatten wir die Gelegenheit, aus zahlreichen Gottesdiensten in ganz London auszusuchen, in welchen wir mitfeiern wollten. Besonders erwähnenswert bei den vielen,verschiedenen Gottesdienstformaten, ist Hillsong. Wichtig ist hierbei zu erwähnen, dass die Hillsong Church nicht zu der anglikanischen Kirche gehört!

Bei Hillsong geht es um Musik, Show, Jugendlichkeit, aber vor allem um Mission.

Die Hillsong Church hat ihre Wurzeln in der Pfingstbewegung und stammt aus Australien. Dort hat Hillsong in den 1980er Jahren ein erstes Musikalbum heruasgebracht und hat sich in den Folgejahren zu einer Megachurch avanciert. Seit 1992 gibt es Hillsong auch in London. Der Gottesdienst erinnert im Grunde an ein Popkonzert. Zu Beginn werden mehrere Powerballaden nacheinander mit eingeblendeten Lobpreis-Text gespielt. Die regelmäßige Hillsong-Gemeinde singt auch hier schon mit. Es folgen Gebete und ein Videoeinspieler mit einer Frau, die Zeugnis davi ablegt, wie sie zum Glauben gefunden hat. 
Daran anschließend werden die Spendeneimer (sic!) herumgegeben.

Nach einem weiteren poppigen Lobpreislied folgt eine halbstündige Predigt, die am Ende unter Musikbegleitung in ein Gebet mündet.

Abschließend wird daran erinnert, dass die neuen Gemeindeglieder sich am kommenden Mittwoch im "Starbucks" gegenüber zur Gesprächsrunde treffen.

Unsere Fortbildung in London wird morgen Abend leider bereits zu Ende gehen. Viele, spannenden Impressionen durften wir bereits erleben,
Kirche ganz anders - aber in jedem Falle authentisch: Das ist freshX.
Sämtliche Kontakte und Besuche in den vergangenen Tagen zeigen uns, dass die freshX der anglikanischen Kirche sehr gut geeignet sein können, dass wir Kirche auch - und selbstbewusst - zu Menschen tragen können, die mit dem klassischen Gemeindekonzept nicht erreicht werden können. 

Ich denke, dass wahrscheinlich alle Teilnehmenden aus den Erfahrungen in London viele, neue Eindrücke von der Vielschichtigkeit von Kirche mit nach Hause und in die eigene Gemeinde nehmen.

Aus London

Pastor Micha Steinbrück berichtet aus London. Eine Woche lang war er mit seinen Kollegen unterwegs. Denkanstöße und neue Ideen begleiten ihn wieder nach Hannover. 

"Und was ich aus London auf jeden Fall mitnehme ist ein neues Verständnis des Bibelverses
1 Kor 12, 4 'Es sind verschiedene Gaben; aber es ist ein Geist.'"

FreshX in der Landeskirche Hannovers

Auch in der Landeskirche Hannovers gibt einige Formen von freshX-Gemeinden. Hierzu wurde in Folge von mehreren ökumenischen Studienreisen zwischen 2009 und 2011 gemeinsam mit dem Bistum Hildesheim Kirche² gegründet.
Beispielsweise entstammt die sogenannte Ü-Ei Kirche in Burgdorf der Idee der „messy church“, also einer bestimmten, familienorientierten freshX-Form.
In vielen Kirchenkreisen gibt es mittlerweile zahlreiche, zumeist sehr positive Erfahrungen mit Adaptionen der Grundidee von freshX.

Stimmen der Teilnehmenden