Startseite Archiv Tagesthema vom 02. August 2017

Der Traum von einer besseren Welt

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Ming-Han (21) aus Taiwan träumt von einer sauberen Luft in Taipeh. Mara (19) aus Lüneburg wünscht sich eine Welt ohne Plastikmüll. Jana (20) aus Russland hofft, dass die wirtschaftliche Krise in ihrer Heimat ein Ende findet. Was sie alle vereint: Der Traum von einer besseren Welt.

Doch wie lässt sich dieser verwirklichen? Unter dem Motto „Living Utopia – Gemeinsam bildet!“ lud das Landesjugendpfarramt der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers in Kooperation mit dem Evangelisch-lutherischen Missionswerk Jugendliche aus aller Welt dazu ein, zwei Wochen lang die Fragen gemeinsam zu diskutieren - und die scheinbare Utopie einer idealen Welt praktisch zu (er)leben. 

Im Containerdorf „Platzprojekt“ in Hannover-Linden regnet es in Strömen. Riesige Pfützen machen sich auf den kleinen Schotterwegen breit. Die Sonne versteckt sich hinter einem dunkelgrauen Himmel. „Es ist sehr kalt in Deutschland“, findet Hanna (21) aus Taiwan, schüttelt sich und zieht die Ärmel ihres Pullovers über ihre Hände. Kein Wunder, denn in ihrer Heimatstadt Pingdon klettert das Thermometer gerade auf 32 Grad Celsius.

Doch dann lächelt sie wieder und sucht nach ihrer Jacke. Ginge es nach Hanna, dürfte sie bei Deutschen hingegen heute nur noch auf Unfreundlichkeit treffen, da denen das Wetter sofort die Laune verhagelt. „Deutsche sind ja nur bei Sonnenschein fröhlich“, erklärt Hanna etwas verlegen. „Das waren zumindest meine Vorstellungen, bevor ich nach Hannover reiste.“

Und bevor sie bei der Internationalen Jugendbegegnung „Living Utopia“ die fröhliche Mara (19) aus Lüneburg kennen lernte. Im Café des Kreativdorfes wärmen sich die beiden jungen Frauen jetzt gemeinsam auf, zeigen auf ihren Smartphones Bilder von ihren Familien und tauschen bei heißem Kaffee und Blaubeer-Muffins Erinnerungen ans gemeinsame Picknick und die letzten Tage im Jugendgästehaus in Hannover aus. Vom Einkauf bis zum Bettenmachen haben die Jugendlichen hier in ihrer Herberge jeden Tag selbst organisiert und mit chinesischen und russischen Spezialitätenabenden kulinarisch in verschiedene Kulturen ihrer Gruppe entführt.

Nebenan sprechen Jana (20) aus Russland und Levato (18) aus Südafrika über ihre Eindrücke im Escape-Room. Eine Stunde haben sie mit Jugendlichen aus Taiwan und Indien in der weißen Containerbox, möbliert in Form eines deutschen Wohnzimmers aus den 1970er Jahren, zugebracht, um zwischen einem Sofa, dem Holzcouchtisch mit Häkeldecke und einem Schleiflack-Regal Denkaufgaben zu knacken. Eine Rätselbox, die für sie mehr bot als nur Spielspaß.

„Wir mussten viele  Codes knacken, um den Schlüssel für die Tür des Containers zu finden. Das bedeutete, dass alle sich aufeinander verlassen und einander vor allem vertrauen mussten“, sagt Jana. „Denn die Aufgaben waren so schwer, dass sie alleine nicht zu lösen waren.“

In der Holzwerkstatt des Kreativdorfes hilft Stine (21) ihrem taiwanesischen Mitbewohner Alex (20) beim Bauen neuer Holzbänke. Hammer, Bohrer und Schraubenzieher wechseln von Hand zu Hand, englische Wortfetzen schwirren durch die Luft – die Sprache, die alle Nationen bei der Jugendbegegnung zusammenhält und einen intensiven Austausch möglich macht. Denn neben Teambuilding-Aktionen und Ausflügen in die Region stehen zahlreiche Workshops auf dem Programm, erklärt Franziska Horn, Leiterin des Projektes und Referentin beim Landesjugendpfarramt der Evangelisch-lutherischen Kirche Hannovers: „Wir möchten Jugendliche vor allem dabei ermutigen, sich mit den Fragen auseinanderzusetzen:  Wie könnte die Welt in 100 Jahren aussehen? Was verbindet uns – was trennt uns? Und wie lässt sich eine ideale Weltgemeinschaft bilden?“

Das Verbindende war schnell gefunden. Denn eingeladen wurden Jugendliche aus evangelischen Partnergemeinden – und die ließen nicht lange auf sich warten. Aus Deutschland, Südafrika, Indien, Russland und erstmals auch aus Taiwan kamen die 18 bis 22-jährigen Christen angereist und diskutierten mit Michael Charbonnier, Referent im Evangelisch-lutherischen Missionswerk, lange über ihre Sorgen, ihre Hoffnungen – und ihre Zukunftsvisionen.

Düster waren die zu Anfang, sagt Charbonnier. „Denn Kriege und Umweltzerstörungen beschäftigten die Jugendlichen. Doch je tiefer wir in das Thema einsteigen, desto mehr Lösungen taten sich auch auf.“ So wie für Ming-Han (21) aus Taiwan. Die Luftverschmutzung in seinem Land bereitet ihm am meisten Sorgen. Und der junge Taiwaner weiß: Lokales und Globales sind bei Umweltproblemen meist eines. „Wie aber das Ruder rumreißen? Nun, für mich beginnt alles im Geist. Die große Veränderung beginnt daher, wenn wir lernen, verantwortungsvoll zu denken und dann entsprechend zu handeln.“

Dass die Generation Y diesen Dreh schafft, davon ist Levatho aus Südafrika fest überzeugt: "Ich glaube, dass wir die Welt nachhaltig beeinflussen werden“, sagt sie selbstbewusst. „Wir haben gelernt, welche Stärke unsere Gedanken und unser Glauben haben. Dadurch werden wir vieles verändern. Egal, wie die Umstände sind.“

Martin Luther würde sich in diesen Worten wahrscheinlich wiederfinden. In Wittenberg werden die Jugendlichen sich  im Internationalen Jugendcamp der Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend eine Woche lang intensiv mit ihm und der Reformation beschäftigen.

Lilian Gutowski

Partnerschaft

Die Partnerschaft zwischen der hannoverschen Landeskirche und der Evangelisch-lutherischen Kirche Ural, Sibirien und Ferner Osten (ELKUSFO) besteht schon länger, eine Partnerschaft zwischen der Evangelischen Jugend und der Presbyterian Church in Taiwan ist im Aufbau. „Wir hoffen, dass wir im nächsten Jahr viele Gäste aus diesen beiden Partnerschaften haben“, erzählt Franziska Horn. Dann nämlich findet im Rahmen des Landesjugendcamps der Evangelischen Jugend das Global Village mit internationalen Gästen statt. Zwischen dem 25. Mai und dem 3. Juni 2018 beschäftigen sich die Teilnehmer mit dem Thema „Gutes Leben für alle“. Interessierte Jugendliche aus der hannoverschen Landeskirche können sich bei Franziska Horn im Landesjugendpfarramt melden: Telefon 0511 1241 492.

Living Utopia

Habt ihr euch Deutschland und die Begegnung so vorgestellt? Was darf in einer zukünftigen Welt nicht fehlen? Und ist dort noch Platz für Gott? Mit diesen Fragen beschäftigten sich die Jugendlichen - und haben selbst ein Video mit ihren Antworten dazu produziert.

Freier Blick

So unterschiedlich ihre Nationalitäten sind, so einig sind sich die Jugendlichen, wenn es um die Zukunft geht: verantwortlicher Umgang mit Ressourcen, ein friedliches Miteinander. Chi-An aus Taiwan zeigte auf eines der gebastelten Zukunftshäuser, das mitten im Grünen steht: „Wir wollen keine Zäune, wir wollen einen freien Blick!“