Startseite Archiv Tagesthema vom 30. November 2016

„Mutig Kirche denken“

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Unter dem Thema „,Mutig Kirche sein‘ – im Gespräch mit der nächsten Generation“ fand im Haus kirchlicher Dienste (HkD) Mitte November ein Studientag statt, zu dem die nächste Generation von Pastorinnen und Diakonen eingeladen war. Ziel des Tages war der Austausch zwischen dem „Nachwuchs“ und den Referentinnen im HkD zur Zukunft der Kirche.

18 Diakone in den ersten Arbeitsjahren und Studentinnen der Religionspädagogik waren der Einladung gefolgt, ebenso wie 18 Theologiestudenten und neun Vikarinnen beziehungsweise Pastoren in den ersten Amtsjahren. Auf den Tag eingestimmt wurden Gäste und Referentinnen in einer Andacht mit Worten des Sängers Clueso „Veränderung braucht einen klaren Kopf“.

Fünf Theologinnen vom „Think Tank Theologie e. V.“ hatten den Tag mit vorbereitet. In dem Verein mit Sitz in Berlin haben sich junge evangelische Nachwuchstheologen und -theologinnen zusammengeschlossen, um sich auszutauschen und einen Freiraum zum Denken zu schaffen. „Bei uns ist es möglich, alle noch so verrückten Ideen auszusprechen. Jeder darf frei drauflosdenken. Dann wollen wir aber auch weiterdenken, denn es soll auch etwas dabei herauskommen“, beschreibt Sebastian Kühl, Vikar in Hollenstedt, die Arbeitsweise der jungen Theologen.

In Statements stellten Kristina Hagen, Stefan Wollnik, Geeske Brinkmann, Kristin Köhler und Sebastian Kühl vom Thinktank vor, was es für sie bedeutet, mutig Kirche zu sein. „Kirche ist mutig, wenn sie lebensbejahend, zärtlich und offen ist. Mutig ist, Tradition zu zeigen und zu bewahren und so als Kirche erkennbar zu bleiben, aber auch Visionen zu haben und Risiken einzugehen“, so Sebastian Kühl, Vikar in Hollenstedt und Kristin Köhler, Vikarin in Buxtehude.

Die Doktorandin Geeske Brinkmann aus Berlin plädierte für eine „gesunde Wissenschaftspraxis“. Viele Forschende würden in völliger Hingabe an ihren Projekten arbeiten und darüber den eigenen Körper vergessen. „Mutig ist es, die Forschung nicht nur an den Maximen des Outputs auszurichten, sondern auch nach der Motivation für die theologische Reflexion zu fragen,“ so die Theologin.

Kristina Hagen, Vikarin in Deutsch-Evern, wünschte sich eine „kritische Auseinandersetzung mit bestehenden Strukturen.“ Sie wollen Kirche von innen heraus verändern: „Mutige Kirche geht nach draußen und spricht in einer Sprache, die alle verstehen“, betonte die Theologin. „Kirche muss auch Position beziehen.“ Die Botschaft der Kirche könne heute noch Mut machen. Am Anfang stünde mit Jesus schließlich ein Mut-Idol.

Für Stefan Wollnik, Vikar in Bispingen, sollte sich „Kirche um den Menschen und die Erde sorgen und in gesellschaftlichen Diskursen stärker eine klare Kante und Profil zeigen. In einer mutigen Kirche gibt es auch Raum für eine vielfältige Frömmigkeitspraxis und das Gespräch mit Andersglaubenden.“ Eine mutige Kirche habe Zukunft dort, wo sie sich einlasse auf die Fragen, Sorgen und Erfahrungen der Menschen.

Zusammenfassend betonte Kristina Hagen betonte, dass zum Mut auch die eigene Schwäche gehört: „Uns macht mutig, dass wir verletzlich sind.“

„Wie stellen Sie sich Kirche in der Zukunft vor? Wo wollen Sie mutig Kirche sein? Was ermutigt Sie?“ Zu diesen Fragen waren alle Teilnehmenden des Tages eingeladen, miteinander ins Gespräch zu kommen. An Stehtischen kamen per Zufallsprinzip Referentinnen des HkD und angehende Pastoren und Diakoninnen zusammen. Vorbereitete Fragekarten gaben Impulse für den Austausch.

Nach dem Mittagessen öffneten die Referenten des HkD sozusagen als „Nachtisch“ ihre Bürotüren und luden den Nachwuchs zum Gespräch über ihr jeweiliges Arbeitsfeld ein.

Zum Abschluss kamen die Gäste, „die ihre Kirche lieben,  aber kritisch hinterfragen“, zu einer Podiumsdiskussion zusammen. Die Moderation übernahm Pastor Mathis Burfien, im Landeskirchenamt der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers verantwortlich für die Förderung und Gewinnung des theologischen Nachwuchses.

Susanne Ruge

„Jeder, der sich als Christ versteht, sollte den mutigen Schritt nach draußen wagen, um den ,inner circle‘ zu vermeiden“, fand Madeleine Landré, Theologiestudentin aus Hamburg und passionierte Fallschirmspringerin. „Wir sollten zum Beispiel Jugendliche fragen, worauf sie Bock haben!“

Theologin Miriam Wojakowska promoviert in Berlin. Sie fordert eine Veränderung der Ausbildung von kirchlichen Mitarbeitenden. Als Mutter von bald zwei kleinen Kindern wünscht sie sich mehr Flexibilität in den Ausbildungsstrukturen, so dass sich Vikariat und Familie besser miteinander vereinbaren lassen.

„Kirche sollte offener sein“, betonte Norman Ley, der  Religionspädagogik und soziale Arbeit an der Evangelischen Fachhochschule in Hannover studiert. „Statt Angebote nur für Jugendliche oder nur für Senioren zu machen, könnte sie zum Beispiel Stadtteil-Treffpunkte anbieten.“

Roger Cericius vom Verbindungsbüro der VGH Versicherungen brachte die Perspektive eines Unternehmens in die Diskussion ein. „Bevor man Inhalte verändert, sollte man sich bewusst machen, was man bereits kann und wo die eigenen Stärken liegen“, betonte Cericius und erzählte ein Beispiel aus seiner Zeit als Organisator des Kulturprogramms für das 850-jährige Jubiläum des Klosters Loccum: „Die beliebteste Veranstaltung im Jubiläumsjahr war nicht die Lesung mit Günter Grass oder das Konzert mit dem Freiburger Barockorchester, sondern die Hora, die tägliche Andacht abends um 18 Uhr.“ Wichtig sei es auch, sich klar zu machen, wen man ansprechen wolle. Nicht alle sprechen die gleiche Sprache.

Gerhard Wolf war früher Pastor und arbeitet inzwischen freiberuflich als Organisationberater im Beraterbüro „Hohenzollern Sieben“. Er meinte: „Organisationen können eine mutige Kultur haben, sie können offen sein für Veränderungen. Das funktioniert aber nur, wenn die Leitung der Organisation und alle Beteiligten eine Veränderung auch wollen. Die Beratung kann nur den Rahmen schaffen.“ Wenn man eine neue Idee habe, dann müsse man schauen, welche Menschen einen bei der Umsetzung unterstützen können.

Susanne Ruge