Startseite Archiv Tagesthema vom 01. Oktober 2016

Erntedankfest

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Etwas abgeben hat nur Vorteile

Gottesdienste, Kirchenkonzerte und viele andere kirchliche Treffen unterscheiden sich von fast allen anderen öffentlichen Veranstaltungen besonders in einem Punkt: Man kommt meistens umsonst hinein, aber eigentlich nie umsonst wieder hinaus. Diese Feststellung stammt aus dem kirchlichen Kabarett. Sie stimmt. Dieser spitzfindige Satz zaubert vielen Menschen ein Schmunzeln ins Gesicht. Fast immer funktioniert die Welt ja umgekehrt. Wenn man etwas Besonderes erleben möchte und ins Konzert geht, in eine Dichterlesung, ins Theater oder ins Fußballstadion, muss man vorher Eintritt bezahlen.

Wer das nicht tut, wird gar nicht erst eingelassen. In den Kirchen heißt es „Eintritt frei“. Allerdings wird man später um eine Spende gebeten, sei es im Schlussteil des Gottesdienstes mithilfe des Klingelbeutels oder nach einem Konzert am Ausgang. „Wenn Ihnen diese wunderschöne Musik gefallen hat, würde sich der Kinderchor über eine Spende freuen.“ Ein in ähnlicher Form schon oft gehörter Satz. Die Bitte um eine Spende: Das ist gute kirchliche Tradition, solange es die christlichen Kirchen gibt. Wenn Menschen etwas besonders Schönes erleben, dann müssen sie eben nicht in erster Linie dafür bezahlen, sondern sie werden gebeten, andere Leute an ihrer Freude teilhaben zu lassen. Sie denken dann besonders an diejenigen, die es nicht so leicht haben in ihrem Leben.

Für Besucherinnen und Besucher von Gottesdiensten ist das selbstverständlich. Besonders fallen mir die vielen Trau- und Taufgespräche in unseren Gemeinden ein. Es macht Freude, gemeinsam mit den Familien einen Spendenzweck zu überlegen. Die Leute haben viele Ideen. Wenn man große und besonders schöne Feste feiern darf, dann fällt es umso leichter, auch anderen eine Freude zu bereiten. Leider gibt es oft ein Missverständnis beim christlichen Spenden. Und das ist dieser Gedanke: Wenn jemand ein guter Christ sein will, dann muss er mit anderen teilen und dann muss er spenden! Nach den Worten des Paulus liegt genau hier das Missverständnis. Man „muss“ nicht spenden. Wenn jemand das so sieht, dann liegt er falsch. „Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb.“ Nichts „muss“. Alles geschieht freiwillig. Eine Spende darf keine Zwangsabgabe sein. Wenn man allerdings bedenkt, so Paulus, dass alles wirklich Wichtige im Leben sowieso von Gott geschenkt ist, dann fällt es leichter, von unserem Überfluss etwas weiterzugeben an diejenigen, die bedürftig sind. Und eine weitere Motivation zum Spenden liegt ja darin, dass man damit erreicht, dass Menschen sich freuen. Und wenn diese Freude zu spüren ist, dann wirkt das weiter, nämlich dass immer mehr Menschen Gott danken für das, was ihnen zuteil geworden ist.

Die uralte christliche Tradition des Spendens passt sehr gut in unsere Zeit. Die von Wirtschafts- und Sozialforschern festgestellte immer größer werdende Kluft zwischen Armen und Reichen wird verkleinert oder im besten Fall abgeschafft. Etwas von dem Reichtum abgeben, den das Leben uns geschenkt hat – das hat nur Vorteile: Kein Neid. Kein Hunger. Kein schlechtes Gewissen. Keine Gründe, die Heimat als Flüchtling zu verlassen. Es entschärft soziale Spannungen zwischen Menschen, Staaten und Völkern. Es ist gerecht, weil jeder so viel gibt, wie ihm möglich ist. Und es macht Freude – für Beschenkte und für Schenkende.

Pastor Uwe Junge

Der Bibeltext

Wer wenig sät, der wird auch wenig ernten; wer aber viel sät, der wird auch viel ernten. So soll jeder für sich selbst entscheiden, wie viel er geben will, und zwar freiwillig und nicht aus Pflichtgefühl. Denn Gott liebt den, der fröhlich gibt.

2. Korintherbrief 9, 6-15

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