Startseite Archiv Tagesthema vom 25. Mai 2016

Eindeutig vielfältig

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„Es ist die Aufgabe der Kirche, dafür zu sorgen, dass die Menschen unterschiedlicher Religion in diesem Land wechselseitig voneinander wissen“, mit diesem Anspruch begrüßte Landessuperintendent Eckhard Gorka am 18. Mai rund 500 Gäste in der Hildesheimer Kirche Sankt Michaelis zum Jahresempfang seines Sprengels. Um dieser Erwartungshaltung gerecht zu werden, hatte Eckhard Gorka Prof. Dr. Dr. h.c. Gudrun Krämer nach Hildesheim eingeladen. Sie leitet das Institut für Islamwissenschaft an der Freien Universität Berlin und gehört zu den ausgleichenden und fundierten Stimmen in der aktuell oft hitzigen Diskussion um die Position des Islams in der deutschen Gesellschaft. Ausgewogen zeigte sich Prof. Krämer dann auch in ihren Ausführungen vor den Gästen aus Politik, Kirche und öffentlichem Leben. Es sei irrig anzunehmen, dass eine Integration von Muslimen gelingen könne ohne die Beachtung ihrer Religion. Es gelte, den Islam als so vielfältig wahrzunehmen wie er als die große Weltreligion, zu der sich mehr als 1,3 Milliarden Menschen zählten, ganz eindeutig sei. Beim genauen Blick auf den Nahen Osten und auf dessen islamische Staaten gebe es dort keine Einheitlichkeit zu sehen. So sei auch keine Ableitung aus der Religion für eine bestimmende Stellung der Herrscherhäuser oder der Staatsführungen zu beobachten.

Im sunnitischen Islam besitze nur der marokkanische König eine Stellung, die sich aus religiöser Tradition speise. Ein Sonderfall sei sicherlich das politische System des schiitischen Islams im Iran. Für die Konflikte in der Region werde tatsächlich aber oft die Religion als Legitimation herangezogen. Dabei bezögen sich sowohl die jeweiligen Regime und Regierungen auf den Islam als auch die oppositionellen Gruppen. Der Konflikt in Syrien erinnere sie in Teilen an die religiösen Konflikte in Nordirland, so Gudrun Krämer, die auch daran erinnerte, dass die Revolutionen in den Staaten des Vorderen Orients als wirkliche Freiheitsbewegungen begonnen hätten. Für Deutschland und die hier lebenden Muslime sei sicherlich in Zukunft die Frage noch stärker bedeutsam, ob Muslime Teil einer säkularen Gesellschaft sein können und sein wollen.

Die Antwort gab Gudrun Krämer aus ihren Forschungen heraus im positiven Sinn. Die weit überwiegende Mehrzahl der muslimischen Gläubigen schätze die europäischen Staaten gerade wegen ihres hohen Grads an individueller Freiheit. Die westlichen Staaten ermöglichten durch ihre gesellschaftliche Pluralität eine Religionsausübung, die auch Muslimen weite Gestaltungsräume für ihren Glauben lasse. Festzustellen sei, dass Musliminnen und Muslime die rechtsstaatliche Ordnung der westlichen Länder ungemein schätzten. Natürlich müsse dabei der liberal-rechtsstaatliche Rahmen für alle gesellschaftlichen Mitglieder gelten und müsse auch von ihnen gemeinsam gegen Extremismus verteidigt werden. Dessen seien Musliminnen und Muslime sich aber genauso bewusst wie Nicht-Muslime.

Helge Meyn-Hellberg, Beauftragter für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im Sprengel Hildesheim-Göttingen
„Es ist weniger die Frage, ob etwas zu Deutschland dazugehöre oder nicht, sondern viel eher der Umgang mit dem, was hier ist.
Zum gelingenden Zusammenleben können alle beitragen: Alteingesessene und Neuankommende, Christen, Juden und Muslime. Nur gemeinsam ist das zu schaffen.“ 
Landessuperintendent Eckhard Gorka

Kritik an Islamfeindlichkeit

Das Parlament der hannoversche Landeskirche verurteilt eine pauschale Kritik und Stimmungsmache gegen den Islam, wie sie unter anderen von Mitgliedern der rechtspopulistischen AfD betrieben wurde. „Die Landessynode wendet sich gegen Bestrebungen, die die Religionsfreiheit für die Menschen muslimischen Glaubens in unserem Land grundsätzlich eingrenzen wollen“, heißt es in einem „Wort der Landessynode“, das die Kirchenparlamentarier beschlossen. Die Synode kritisiert darin auch Absichten, eine andere Religion pauschal abzuwerten und für grundgesetzwidrig zu erklären.

Die Landessynode ruft zu einem intensiven Dialog mit den Muslimen auf. Dies schließe eine kritische Auseinandersetzung nicht aus, sagte der Synodale Rolf Bade. Das Parlament distanziert sich zugleich von jeder Form von religiösem Fundamentalismus und von religiös motivierter Gewalt. „Hier endet für die Landessynode das Recht auf Religionsfreiheit“, heißt es. Menschen müssten immer auch den Glauben des Anderen oder die Anschauung des nicht Glaubenden achten.

epd