Christina Ernst leitet als blinde Pastorin eine eigene Gemeinde
Christina Ernst klappt ihren Blindenstock auf ein gut verstaubares Maß zusammen und platziert ihn unter ihrem Stuhl. Mit einem fröhlichen „Hallo!“ begrüßt die 32-Jährige drei ihrer Konfirmanden. „Wo sitzt ihr denn?“ fragt sie. Auf ihrem Gesicht spielt ein offenes Lachen. Sie trägt Jeans und schwarze Stiefel. Ein zartblauer dünner Baumwollschal unterstreicht das Blau ihrer Augen. Nicole, Larissa und Sophia, alle 13 Jahre alt, melden sich mit ihren Namen von links und rechts des Tisches.
Christina Ernst ist seit sechs Wochen ihre neue Pastorin in der evangelischen Kirchengemeinde Twistringen, einer niedersächsischen Kleinstadt zwischen Diepholz und Bremen. Sie ist eine von sehr wenigen blinden Gemeindepastoren in ganz Deutschland. Twistringen ist ihre erste Stelle - zur Probe und zunächst befristet auf drei Jahre, wie es in dem Beruf üblich ist.
Doch von Unsicherheit oder Nervosität ist bei ihr keine Spur: „Ich kann mich schon durchsetzen. Sonst wäre ich gar nicht so weit gekommen“, sagt sie lachend. Christina Ernst ist seit ihrem vierten Lebensjahr blind. Mit ihrem langen Stock ertastet sie Stufen, Bordsteinkanten, Wände, Unebenheiten. „Von Straßen, Wegen, dem Kirchenraum, meiner neuen Wohnung habe ich ganz schnell Pläne im Kopf.“
Von ihrem Vater hat sie gelernt, nicht aufzugeben. „Er hat sich immer wieder von neuem dafür eingesetzt, dass ich Regelschulen besuchen durfte.“ Sie selbst hat nach dem Theologiestudium und der Promotion dafür gekämpft, Gemeindepastorin zu werden. „Das war kein Selbstläufer. Es gab schon Bedenken, ob ich alleine eine Gemeinde würde leiten können“, sagt sie.