Startseite Archiv Tagesthema vom 24. Mai 2015

„Er kommt wann und wo er will“

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Liebe Gemeinde,
„Was ist ihre Leidenschaft, wofür brennen sie?“… Ich zögerte….
„Für irgendwas müssen sie sich doch richtig begeistern, oder nicht?“
„Ja, also ich… „. „Haben sie keine Leidenschaft?“, setzte er nach, ohne das ich antworten konnte. Fast 25 Jahre ist es her, dass ich so zögerlich war. Ein Theologie-Professor, der viele Bücher geschrieben hatte, nahm mich ins Kreuzverhör und brachte mich in Verlegenheit. Ich habe diesen kleinen Dialog, der eigentlich gar keiner war, nie vergessen. Und die Frage auch nicht: Was ist deine Leidenschaft, wofür begeisterst Du Dich?

Auf die erste Frage hat bestimmt jeder eine Antwort. Wofür brennst du? Manch einer würde seinen Fußballverein nennen, andere ihren Garten, die meisten von uns wohl ihren Lebenspartner oder ihre Kinder. So ist es auch für mich mit einer Antwort nicht getan. Meine größte Leidenschaft ist meine Familie. Meine Kinder, meine Frau. Dann meine Bücher, Motorradfahren?

Was ist Ihre Leidenschaft, was begeistert Sie?
Gibt es einen passenderen Ort für diese Frage an einem Pfingstsonntag als eine Heilig-Geist-Kirche? Am Anfang sucht man bei dieser Frage immer einen große Aufbruchsimpuls. Das haben wir gerade aus der Apostelgeschichte gehört. Wo, wann, wie startete diese Leidenschaft? Wenn aber diesem Impuls nicht die Luft ausgehen soll, dann braucht es ein Zweites: Die Phase der Resonanz. Wo, wie, wann klingt es weiter. Es braucht beides: eine Begeisterung, die eine Sache initialisiert und jene, die die Sache - oftmals auch in Kleinarbeit - weitertragen. Pfingsten steht für diesen Impuls, für den Geist unserer Kirche, den markanten Anfangsimpuls.

Unsere Zeit ist stark von Begeisterungsmomenten bewegt. Die wichtigste öffentliche Ressource ist Aufmerksamkeit. Die bekommen wir nicht mit dem Tagesgeschäft, weder in der Politik, noch in der Kultur, noch in der Kirche. Mir scheint es manchmal, als würden wir uns einseitig zu sehr an diesen großen Aufbruchsgeschichten orientieren, wir sind Aufmerksamkeits-infiziert. Als ginge es nur darum, die Massen zu mobilisieren. Doch vom Event allein vermag nichts auf Dauer zu leben. Das gilt auch für unseren christlichen Glauben. Ich war einige Jahre in einer sehr frommen Gemeinschaft engagiert. Dort übergab man, in einem besonderen Akt, sein Leben Jesus Christus. Und erinnerte dann den Tag und die Stunde, als es geschah. Das waren aufgeregte Momente, voller Begeisterung. Man war wie verwandelt. Ein ganz starker Aufbruchsimpuls. Später habe ich erlebt, wie dieser Tag meinen Glauben nicht verändert hat. Ich habe diesen Tag sogar vergessen. Jeder Tag ist ein Tag mit Gott. Und die wichtigste Übergabe des Lebens an Gott, die geschah lange vor meiner Erinnerung, in der Taufe. Einem geistlichen Rausch folgt manchmal ein langer Kater des Zweifels; manchmal sogar der Verzweiflung. Das Feuerwerk des Glaubens hinterlässt im Anschluss schnell wieder einen finsteren Himmel. Die Geschichte des Glaubens erzählt sich nur wenn sie ausdauernd und treu immer weiter erzählt wird. Das gilt im eigenen Leben genauso wie im Leben unserer Kirche.

Und doch .... immer wieder drängt es uns hin zu den Stürmen der Begeisterung, zu der unstillbaren Sehnsucht. So bleiben wir in beidem: Der Durst nach Gott kann von uns nicht gestillt werden und der Wunsch nach einem unüberhörbaren Brausen bleibt, und doch trinken wir schon täglich aus der Quelle des Lebens.

Allzu oft stehen wir der pfingstlichen Dynamik, dem Windbrausen selbst im Weg. Wir möchten inszenieren, wir wollen Aufmerksamkeit, wir wollen Sturm und Wind entfachen. Doch das kann schnell gefährlich werden, so wie es eine Anekdote aus Nordfriesland erzählt. An einem Pfingstgottesdienst wollte ein Pastor seine Gemeinde von der Kraft des Heiligen Geistes überzeugen. Dazu kaufte er eine weiße Taube und gab sie seinem Küster mit den Worten: „Wenn ich am Ende der Predigt laut rufe: Nu komm, Heiliger Geist, dann lässt du die weiße Taube von der Empore herunter fliegen!“. „Mach ich“ sagte der Küster und nahm die weiße Taube an sich.

Am Ende der Predigt rief der Pastor laut und eindringlich: „Nu komm, Heiliger Geist!“. Aber nichts kam. Und nochmals: „Nu komm, Heiliger Geist!“ Nichts! Und nochmals dasselbe. Da ertönte die mickerige Stimme vom Küster: „Herr Pastor, den Heiligen Geist, den hat die Katze gefressen!“ oder plattdeutsch.: „Herr Paster, den Hielig'n Giest hat de Kat' freden!“

In jedem Witz wohnt eine Wahrheit. Der Pastor wollte den Hl. Geist inszenieren. Wollte seine Gemeinde beeindrucken und sie von der Kraft des Hl. Geistes mit einem kleinen Trick überzeugen. Der liebe Bischofskollege i.R. Axel Noack aus Mitteldeutschland pointiert: Passt auf, dass ihr dem Hl. Geist nicht im Weg steht; das ist die größte Gefahr für die Kirche.

Der Geist Gottes lässt sich nicht von uns machen oder erzwingen. Im Zweifel frisst ihn die Katze. Er kommt wann und wo er will. Und manchmal sind es nicht die spektakulären, sondern eher die leisen Momente, in denen er uns verwandelt. Von diesen leisen Töne spricht auch der Predigttext für diesen Pfingsttag. Ich lese aus dem Johannesevangelium im 14. Kapitel: Joh 14,23-27 „Jesus (antwortete und) sprach (zu ihm): Wer mich liebt, der wird mein Wort halten; und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen. Wer aber mich nicht liebt, der hält meine Worte nicht. Und das Wort, das ihr hört, ist nicht mein Wort, sondern das des Vaters, der mich gesandt hat. Das habe ich zu euch geredet, solange ich bei euch gewesen bin. Aber der Tröster, der Heilige Geist, den mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe. „Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.“

Diese Worte sind aus den Abschiedsreden des Johannesevangeliums. Jesus bereitet seine Jünger auf seinen Abschied vor. Er bereitet uns auf die Situation vor, die für uns längst das Normale geworden ist. Jesus ist nicht mehr da. Wir leben von den Geschichten über ihn, die uns das Neue Testament erzählt. In diesem Sinne schlägt das Johannesevangelium einen ganz anderen Ton an.2 Einen leisen Ton, der auf unsere Innerlichkeit zielt. Pfingsten will nicht das Event. Pfingsten spricht zum Herzen. So zielen die wichtigen Worte dieser Abschiedsrede nicht auf den großen Effekt, sondern auf das Innere des Menschen. Jesus spricht von „lieben“ und „sein Wort hören und bewahren“. Er spricht von „Geist“ und „Frieden“; alles Wörter, die auf unser Inneres zielen.

Gleich am ersten Satz bleibe ich hängen: Wer mich liebt, der wird mein Wort halten; und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen. Wer mich liebt. Jesus und Gott lieben? Das wäre wohl nicht das Erste, das Sie oder ich sagen würden, wenn wir nach unserer Begeisterung gefragt werden? Ich würde wahrscheinlich eher von meinem Vertrauen zu Gott sprechen. Und doch: Jesus und Gott lieben, das eröffnet noch einmal eine andere Dimension im Glauben. Wenn ich jemanden liebe, dann bedeutet es viel mehr als allein Vertrauen. Wenn ich jemanden liebe, dann will ich bei ihm sein, suche seine Nähe, suche den vertrauten Umgang. Liebe sucht immer auch Intimität. Liebe lebt davon, dass ich mich ganz auf mein Gegenüber einlasse. In vielen alten Kirchliedern erklingt auf wunderbare Weise diese Intimität. Ja, manche der Lieder sind echte Liebeslieder. So wie wir gleich singen und dabei Gottes Geist ansprechen als unser „Himmelslicht“ und unser „Himmelstau“ (EG 130). Das sind zärtliche Anreden. Anreden der Liebe.

Was passieren kann, wenn man mit Gott in eine Liebesbeziehung eingeht, davon spricht der weitere Vers. Wer mich liebt, der wird mein Wort halten; und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen. Lieben ist zuerst ein Akt, der nach innen geht. In der Liebe nimmt jemand Wohnung bei mir in meinem Herzen. So auch hier. Wenn Gottes Geist in unsere Herzen einzieht, dann ist Pfingsten. Wenn er in uns Wohnung nimmt, dann durchdringt uns der Geist der Liebe Gottes. Ich glaube, das ist die Innenseite der Erfahrung, die auch am Pfingsttag bei den ersten Christen sichtbar wurde. Die Feuerzungen, der Windsturm draußen. Und drinnen ein unbeschreibliches Gefühl der Sicherheit: Gott in mir! Diese Erfahrung machte sie fast verrückt und ließ sie auf einmal in ganz neuer Sprache reden. Sage niemand, er kenne es nicht: verrückt zu werden in der Erfahrung der Liebe, und verzweifelt nach einer neuen Sprache dafür zu suchen. Jesus spricht von zwei Haltungen, von der Liebe und der Treue. „Wer mich liebt, wird treu in meinem Wort bleiben.“

Die Liebe braucht Zeit, die Treue auch. In der Liebe liefern wir uns aus an das Geheimnis des Lebens. In der Liebe sind wir am meisten die, die wir sein sollen. Wir bestehen nicht auf uns selbst. Wir genügen uns nicht selbst, und wollen nicht in der Eile der Tage den Sinn verlieren. Deshalb will alle leidenschaftliche Liebe ewig sein. Vielleicht entsteht sie manchmal in einem einzigen Augenblick, im Rausch des Moments. Aber sie braucht Zeit zum Wachstum. Sie muss die Erfüllung und die Enttäuschung erleben. Vielleicht bleibt sie lange unsichtbar, aber sie will die beschränkten Denk- und Glaubenshorizonte durchbrechen. Mit der Treue ist es nicht anders. Jeder, der einmal wirklich geliebt hat, weiß, dass diese Treue nicht nur Verantwortung, sondern manchmal auch Schmerz sein kann. Wir antworten auf den Geist Gottes, auf den Rausch der Liebe mit unserer Treue. Und auf die Frage aus dem Alten Testament „Seid ihr nun die, die an meinem Herrn Freundschaft und Treue beweisen wollt,..“ Gen 24,49
antworten wir: Ja Herr, wir sind es!

Amen

Landesbischof Ralf Meister, Predigt in der Heilig-Geist-Kirche zu Wolterdingen am Pfingstsonntag 24. Mai 2015

Predigt für Alle

Während seiner Reise durch die Kirchenkreise der hannoverschen Landeskirche, besuchte Landesbischof Ralf Meister auch kleine Kirchengemeinden. Damit Kirchen wie die Heilig-Geist-Kirche zu Wolterdingen die Möglichkeit auf einen direkten Bezug zum Oberhaupt ihrer Landeskirche erhalten, beschloss Ralf Meister in einer Reihe von Gottesdiensten eben genau in diesen Gemeinden zu predigen.

„Botschaft, die uns eint“

Der evangelische Landesbischof Ralf Meister aus Hannover hat anlässlich des Pfingstfestes dazu aufgerufen, gesellschaftliche Trennungen zu überwinden. „Es gibt viele Tendenzen, die diese Gesellschaft bedrohen, die uns zersplittern“, sagte er in einer Videobotschaft der Evangelischen Kirche im NDR.

Menschen teilten sich gegenseitig ein in Deutsche und Ausländer, Europäer und Flüchtlinge, Religiöse und Menschen ohne Glauben. „Manchmal sind die Trennungen so, dass wir uns zumindest im Geiste bekämpfen.“ Deshalb sei es wichtig, dass die Gesellschaft an Festen wie Pfingsten innehalte und danach frage, was sie zusammenhalte.

„Pfingsten ist die Botschaft, die uns eint“, betonte Meister. Die Geschichte vom Pfingstfest beschreibe den Traum einer gerechten und fairen Gesellschaft. Pfingsten gilt auch als „Geburtstag der Kirche“. Nach der biblischen Erzählung predigten die Jünger Jesu vor einer großen Menge, und viele Menschen aus verschiedenen Ländern und Völkern meinten, ihre eigene Muttersprache zu hören.

epd

Feuer und Flamme

Als der Tag der Pfingsten gekommen war …“ Gemeint ist das „Fest des 50. Tags“ oder auch „Wochenfest“, ein Erntedank- und Wallfahrtsfest. Jetzt ist das Frühjahrsgetreide reif, das an Pessach gesät worden war. Jerusalem ist überfüllt von Pilgern, von frommen, gesetzestreuen Juden aus der Diaspora, die das Toragebot befolgen und ihre Erstlingsfrüchte zum Tempel bringen.

An diesem Tag sind auch Jesu Jüngerinnen und Jünger alle beieinander – fünfzig Tage nach der Auferweckung Jesu. Die bislang so furchtsamen Jünger, die sich nach dem Tod Jesu eingeschlossen hatten, fangen an zu reden. Nun ist alle Angst verflogen, alle Hoffnungslosigkeit dahin. Jetzt sind sie Feuer und Flamme für das, was sie an Ostern erlebt haben.